Folgen von Krieg

Kriege kennen keine wirklichen Sieger, denn bei allen an ihnen beteiligten Seiten fallen stets eigene schwerwiegende Opfer an. Unter „Kriegsfolgen“ werden im Folgenden deshalb weniger die Konsequenzen verstanden, die aus einem Krieg und seinem Ende resultieren. Vielmehr sollen seine direkten Folgen für Menschen, Politik und Wirtschaft sowie Umwelt umrissen werden.

Kriegsopfer

Der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918) forderte 17 bis 20 Millionen Menschenleben. Im Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945) wird die Zahl der Todesopfer zwischen 50 und 56 Millionen geschätzt (manche Quellen sprechen sogar von 80 Millionen). Auch wenn das Ende des Zweiten Weltkriegs eine Zäsur darstellte und kein Krieg seither eine so umfassende Zerstörungskraft besaß, starben beispielsweise nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen 1989 und 2010 rund 800.000 Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen (UCDP Battle-Related Deaths Dataset v.5-2010).

Die wirklichen Opferzahlen eines Krieges können stets nur geschätzt werden. Ihre Höhe hängt z.B. davon ab, ob dabei allein durch Waffengewalt getötete Menschen einbezogen werden. Dies hieße diejenigen Opfer auszuklammern, die z.B. durch (sexuelle) Gewalt, Hunger, Erfrieren oder Seuchen während eines Krieges umkommen. Und müssen nicht auch Menschen, die oft erst Jahre später kriegsbedingten Verwundungen oder Erkrankungen erliegen – wie etwa die Strahlenopfer von Hiroshima und Nagasaki – als „Kriegsopfer“ gelten?

Ein Blick auf die Folgen der US-Intervention gegen Vietnam und Kambodscha (1965 bis 1975) verdeutlicht das Problem. Im Vietnamkrieg soll die Zahl der Toten bei drei Millionen liegen. Seit seinem Ende sind nach Angaben Hanois noch über 42.000 Menschen bei tödlichen Unfällen mit Munitionsresten ums Leben gekommen. Die US-Streitkräfte setzten in dem Krieg gegen die nordvietnamesischen Truppen 15 Millionen Tonnen Bomben und Munition ein, von denen rund 800.000 Tonnen immer noch rund 20 Prozent des Landes verseuchen. Ähnliches gilt für Kambodscha, wo nach Angaben von UNICEF zwischen vier und sechs Millionen Landminen an Wegen, auf Feldern und in der Nähe von Schulen oder Brunnen in den Dörfern lauern. Sie treffen vor allem die Zivilbevölkerung, jedes dritte Opfer ist ein Kind. Nach dem “Landmine Monitor 2009” sollen von 1979 bis Ende 2009 mindestens 19.505 Menschen getötet und 44.024 verletzt worden sein.

„Der Krieg wird niemals zu Ende sein, solange noch eine Wunde blutet, die er geschlagen hat“, charakterisierte Heinrich Böll treffend die Langzeitfolgen von Kriegen. Kriegsversehrte – sei es aus Zivilbevölkerung oder Militär - leiden oft noch jahrzehntelang unter den physischen Verletzungen. Oft müssen sie lernen mit Verstümmelungen, Blindheit oder Gehörlosigkeit zu leben.

Auch die psychischen Folgen greifen tief in den Alltag der Überlebenden ein. Dabei hinterlassen Angst und Unsicherheit durch Waffeneinsatz und militärische Angriffe ebenso ihre Spuren wie das Erleben von physischer und sexueller Gewalt oder der Tod von Angehörigen. Folgesymptome sind z.B. posttraumatische Belastungsreaktionen sowie Depressionen und Angstzustände. Es sei angemerkt, dass diese Traumata in vielen Fällen nicht nur auf die Zivilbevölkerung zutreffen, sondern auch auf Militärangehörige.

Ein besonderer Aspekt der Kriegsfolgen ist das Flüchtlingselend. Weltweit existieren laut UN-Angaben 15 Millionen Flüchtlinge, von denen drei Viertel in Entwicklungsländern leben und die ihre Heimat aufgrund von Konflikten oder Verfolgung verlassen mussten. Menschen auf der Flucht oder in Flüchtlingslagern hat der Krieg Heimat und – oft langfristig - Existenzgrundlage genommen. Direkt bedrohen Hunger, Unterernährung, Krankheiten und Seuchen die Geflohenen und ihre Kinder. Die Flüchtlingssituation wird umso schwieriger, wenn die internationale Aufmerksamkeit und Unterstützung für diese Menschen nach und nach schwindet und dennoch kein Ende ihres rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwebezustandes, also keine dauerhafte Lösung, in Aussicht steht. Insbesondere, wenn Flüchtlinge langfristig in größeren „Lagern“ leben, entstehen verschiedene Sicherheitsrisiken für die Betroffenen selbst und für ihr Umfeld, die zu neuen gewaltsamen Konflikten führen können.

Politik und Wirtschaft

Die weitreichendste politische Folge eines Krieges ist, dass er Staat und Gemeinwesen vollständig vernichten kann. Während des Krieges werden bürgerliche Freiheiten eingeschränkt. Unter den Bedingungen von Ausnahmezustand, Notstandsgesetzen oder Kriegsrecht werden Meinungs- und Wahlfreiheit sowie die Aktivitäten politischer und gesellschaftlicher Gruppen oft erheblich beschnitten. Innen- wie außenpolitisch werden Feindbilder aufgebaut. Dies löst Misstrauen gegenüber Andersdenkenden im eigenen Land aus, während die Beziehungen zu den Staaten, die Konfliktpartei geworden sind, zerstört und oft nachhaltig vergiftet werden.

„Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder“, beklagte Dwight D. Eisenhower, 34. Präsident der USA und Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte während des 2. Weltkrieges. Zu den Kosten gehören heute nach Erkenntnissen der international anerkannten NGOs Oxfam International, Safer World und International Action Network on Small Arms (IANSA):

  • erhöhte Ausgaben für das Militär, die der Volkswirtschaft in anderen Bereichen fehlen,
  • Zerstörung von Existenzgrundlagen und Infrastruktur (z.B. Wasserversorgung und Transportsystem),
  • Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten durch Unsicherheit, eingeschränkte Mobilität und Abzug von Arbeitskraft vom zivilen in den militärischen Bereich sowie durch Kapitalflucht,
  • Makroökonomische Folgen wie Inflation, Einschränkungen bei Sparguthaben, Investitionen und Exporten sowie erhöhte Schulden,
  • Verlust von Entwicklungshilfe,
  • Vermögenstransfer in die illegale Wirtschaft.

Auch die Eroberung von Territorien und die damit verbundene gezwungene Umverteilung von Land, Produktionsmitteln und Arbeitskräften haben wirtschaftliche Folge.

Umwelt

2001 wurde zum ersten Mal der „Internationale Tag für die Verhütung des Missbrauchs der Umwelt in Kriegen und bewaffneten Konflikten“ begangen, der seither immer am 6. November auf Initiative der UN durchgeführt wird. Der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan wollte damit auf die verheerenden ökologischen Begleiterscheinungen sowie die massiven Langzeitfolgen von Kriegen auf die Umwelt hinweisen, die die Menschen ebenso hart treffen wie direkte Gewalt. Schäden durch Öl, Chemikalien, Landminen oder Blindgänger sind oft für lange Zeit nicht zu beseitigen. Die Verseuchung von Wasser, Luft und Böden bedroht die Lebensgrundlage vieler Menschen und veranlasst ganze Völker zu fliehen.

Auch neue Technologien, wie mit angereichertem Uran ummantelte Munition, bedrohen die Umwelt. Bereits kleinste Mengen des radioaktiven Urans können Krebs erzeugen oder Nieren und andere Organe schädigen. Dies verweist auf einen zweiten Aspekt von Kriegsfolgen auf die Umwelt. Denn neben den „unwillkürlichen“ Begleiterscheinungen, werden natürliche Ressourcen aus taktischen Gründen manchmal auch gezielt zerstört. Bekannte Beispiele sind die Bombardierung von Ölförderanlagen in den Golfkriegen, um wirtschaftlichen Schaden zu erreichen, die weltweit häufig durchgeführte Verminung von Ackerland, um den Kriegsgegner der Ernährungsgrundlage zu berauben, oder der Einsatz von chemischen Kampfstoffen wie „Agent Orange“, das die USA im Vietnamkrieg zur Entlaubung von Wäldern und zum Zerstören von Nutzpflanzen benutzten. „Oft leidet die Umwelt durch Gewalttaten. Die Armen leiden – wie immer – unverhältnismäßig stark, da sie besonders von einer intakten Umwelt abhängen. Nicht nur wegen der Nahrungsmittelversorgung, sondern auch aus medizinischen Gründen und weil sie mit natürlichen Ressourcen ihre Existenz sichern und Material für ihre Unterkünfte benötigen“, warnte Kofi Annan vor den Umweltfolgen des Krieges.

Quellen und weiterführende Informationen:

BICC 09/2011


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