Ausmaß staatlicher Gewalt gegen die eigene Bevölkerung

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (…) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

So lauten Artikel 1.1 bzw. Artikel 2.2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Es schützt das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit durch den Staat. Folter und die Todesstrafe sind in Deutschland verboten.

Auch die Europäische Menschenrechtskonvention, die von Deutschland im Jahr 1952 ratifiziert wurde und am 3. September 1953 allgemein in Kraft trat, verpflichtet alle Vertragsstaaten der Konvention, den ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen bestimmte Rechte und Grundfreiheiten zu gewähren. Alle EU-Mitgliedsstaaten haben die Konvention ratifiziert. Hier sind u.a. festgehalten:

  • Recht auf Leben (Artikel 2),
  • Verbot der Folter (Artikel 3),
  • Recht auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5),
  • Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6).

Schließlich schreibt auch die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, die UNO-Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948, in ihrem Artikel 5 vor: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“ Die UN-Menschenrechtscharta wird zwar nicht ausdrücklich unterzeichnet, aber von neuen UNO-Mitgliedsstaaten automatisch mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen anerkannt.

Staatliche Gewalt und ihre Opfer

Und dennoch: 2010 recherchierte und dokumentierte Amnesty International (AI) Menschenrechtsverletzungen in 157 Ländern und Regionen weltweit. Was passiert, wenn ein Staat Menschenrechte massiv verletzt und Gewalt gegen seine Bürgerinnen und Bürger ausübt? In welchen Formen tritt staatliche Gewalt gegen die eigene Bevölkerung auf? Vor welchen politischen Hintergründen geschieht dies?

Staatliche Gewalt hat viele Gesichter. Sie umfasst zum Beispiel:

  • die Einschränkung der Meinungsfreiheit auf rechtswidrige Weise,
  • die Inhaftierung von gewaltlosen politischen Gefangenen,
  • Folter und andere Formen der Misshandlung,
  • die Todesstrafe,
  • das Verwehren von fairen Gerichtsverhandlungen und die Durchführung von unfairen Gerichtsverhandlungen,
  • willkürliche Verhaftungen und das „Verschwinden“ von Oppositionellen sowie
  • physische und psychische Einschüchterung wie etwa Morddrohungen und die Androhung von Folter.

Ein weiterer Aspekt ist die Straffreiheit für Staatsvertreter, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben.

Die Opfer solcher staatlicher Repression sind in den Reihen der politischen Opposition und Medien, verfeindeter Ethnien sowie konkurrierender gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Interessengruppen zu finden. Gewaltsame Angriffe gegen die Meinungs- und persönliche Freiheit richten sich aber auch – je nach vorherrschender staatlicher Ideologie und Rechtsauffassung- gegen Andersgläubige bzw. „Ungläubige“. Diskriminiert und verfolgt werden Menschen auch wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechtes und ihrer ethnischen Herkunft. Schließlich müssen häufig Bedrohungen „von außen“ als Begründung herhalten, Menschen „zum Schutz des Staates“ rechtswidrig zu verfolgen.

Folter

Seit Jahrhunderten wird Folter dazu eingesetzt, Menschen zu Aussagen zu zwingen, sie zu bestrafen, zu demütigen oder zu erniedrigen. Die Opfer werden geschlagen, vergewaltigt, mit dem Entzug von Atemluft durch „waterboarding“ oder Scheinexekutionen in Todesangst versetzt. Der technische Erfindungsreichtum der Folterknechte spiegelt sich im Laufe der Geschichte vom mittelalterlichen Streckbrett über Daumenschrauben bis zu High-Tech-Elektrowaffen wider. Auch systematischer Schlafentzug, der dauerhafte Einsatz von Dunkelheit oder extrem hellen Licht sowie Lärm oder das ständige erzwungene Verharren in bestimmten Körperstellungen zählen zur Folter.

Folter dient dazu Persönlichkeiten zu brechen. Die Folgen bestehen nicht nur in körperlichen Schmerzen, Verletzungen und physischen Krankheiten, sondern auch in psychischen Folgen wie Angstzuständen, Depressionen, Scham- und Erniedrigungsgefühlen, Schlafstörungen und Alpträumen.

2010 hatten 147 der insgesamt 192 UN-Mitgliedsstaaten die UN-Anti-Folterkonvention vom 26. Juni 1987 ratifiziert, darunter alle fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates. Doch ungeachtet ihres Beitritts wenden zahlreiche Länder Folter weiterhin an.

Dies trifft selbst für ständige Mitglieder des Sicherheitsrates zu. Noch im August 2011 bekannte sich der ehemalige US-Vizepräsident Dick Cheney in seinen Memoiren zur Folter als legitimes Mittel im „Kampf gegen den Terror“. Nach Angaben von Amnesty International sei Folter in chinesischen Umerziehungslagern ebenso üblich wie auf Polizeistationen. Betroffen seien neben Dissidenten auch Kriminelle oder Prostituierte. Auch in Russland soll nach ai in Gefängnissen und auf Polizeistationen zur „Beschleunigung“ von Ermittlungen gefoltert werden. Human Rights Watch erhob 2010 Vorwürfe gegen Frankreich und Großbritannien, sowie auch gegen Deutschland, Informationen von ausländischen Geheimdiensten, die im Kampf gegen den Terrorismus unter Folter gewonnen wurden, zu verwenden.

Darüber hinaus gab der Vorsitzende des UN-Ausschusses gegen Folter, Claudio Grossman, im Oktober 2010 in New York bekannt, dass 32 Unterzeichnerstaaten bis heute nicht ihrer Berichtspflicht nachkommen und 64 der Unterzeichnerstaaten bislang nicht zulassen, dass der Ausschuss Einzelklagen prüfen durfte.

Dieser UN-Ausschuss überprüft regelmäßig Berichte der Länder über die Durchsetzung des Folterverbots. Die Konvention verbietet den Einsatz von Foltermethoden unter allen Umständen, sowohl im Kriegsfall als auch bei einem internen politischen Konflikt. Dazu gehört auch die Abschiebung in Länder, in denen Folter droht.

Von einer weltweiten Ächtung der Folter in der Praxis kann also nicht die Rede sein.

Todesstrafe

Seit Jahrtausenden gehört die Todesstrafe zum Rechtskodex von Staaten, die so besonders schwerwiegende Verbrechen ahnden. Dem zugrunde liegt die Rechtsauffassung, dass eine Tat nicht nur gesühnt, sondern auch gerächt werden soll. In vielen Fällen spielt die – allerdings nicht belegbare – Annahme eine Rolle, dass diese Höchststrafe eine abschreckende Wirkung habe.

Im Katalog der Straftaten, auf die in manchen Staaten noch heute die Todesstrafe steht, gehören an erster Stelle Mord sowie Raub oder Entführung mit Todesfolge. Aber auch wirtschaftliche Vergehen wie Korruption und sittliche wie Ehebruch, Prostitution und Zuhälterei sind zu finden. In die Kategorie religiös motivierter Todesstrafen gehören die Abkehr vom muslimischen Glauben, Blasphemie und Hexerei. Manche Diktaturen bestraften die Beleidigung des Staatsoberhaupts (Irak bis 2003) mit dem Tod. Das Kriegsrecht sieht in einigen Staaten die Todesstrafe wegen Hoch- und Landesverrat, Spionage, Sabotage und Desertion vor.

Nach Angaben von Amnesty International sind seit dem Jahr 2000 folgende Hinrichtungsmethoden angewandt worden:

  • Enthaupten (Saudi-Arabien),
  • Elektrischer Stuhl (USA),
  • Giftspritze (China, Guatemala, Thailand und USA),
  • Steinigung (Afghanistan und Iran),
  • Erschießen (Weißrussland, China, Somalia, Taiwan, Usbekistan, Vietnam und weitere Länder),
  • Hängen (Ägypten, Iran, Irak, Japan, Jordanien, Pakistan, Singapur und weitere Länder).

Die UNO-Generalversammlung hat am 18. Dezember 2007 eine Resolution für einen weltweiten Stopp aller Hinrichtungen angenommen. Mit 104 Ja gegen 54 Nein und bei 29 Enthaltungen haben sich die Staaten dafür ausgesprochen. Im Vorfeld der Abstimmung hatte auch die „Weltkoalition gegen die Todesstrafe“ (World Coalition against the Death Penalty), der neben ai weitere 52 Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Berufsverbände und NGOs angehören, das Moratorium in einer Petition gefordert.

Die UN-Resolution gilt als entscheidender Schritt für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. NGOs und staatliche Akteure setzen sich für ein Verbot ein. So heißt es in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Oktober 2010 zum Internationalen Tag gegen die Todesstrafe, dass die „Abschaffung der Todesstrafe eine Priorität für die EU“ darstellt.

Quellen und weiterführende Informationen:

BICC 09/2011


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