Illegaler Klein- und Leichtwaffenhandel

Wenn in den Medien über Waffenhandel berichtet wird, geht es meist um große Systeme wie Panzer, U-Boote und Kampfflugzeuge. Dabei gerät eine Klasse von Waffen in den Hintergrund – die sog. „Klein- und Leichtwaffen“, weithin bekannt unter den Markennamen Kalaschnikow, G 3 oder Uzi. Sie fehlen in keinem aktuellen Krieg oder bewaffneten Konflikt auf dieser Welt und werden von einigen Experten deshalb als die „gefährlichsten Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet.

Als Klein- und Leichtwaffen bezeichnet man tragbare Schusswaffen, die ein Kaliber von höchstens 100 mm aufweisen. Sie reichen von Revolvern und Pistolen über Sturm- und Maschinengewehre bis hin zu Granatwerfern und MANPADS, tragbaren Flugabwehrsystemen. Kleinwaffen wurden für die Bedienung durch eine Person entwickelt und weisen ein Kaliber von bis zu 12,7 mm auf. Leichtwaffen haben ein höheres Kaliber (12,7 bis 100 mm) und werden von einem Team aus zwei oder drei Personen bedient. Die internationale Bezeichnung dieser Klasse von Waffen lautet SALW (Small Arms and Light Weapons).

Klein- und Leichtwaffen sind für den Tod von mehr Menschen verantwortlich als jeder andere Waffentyp. Dem Small Arms Survey zufolge sterben jedes Jahr mehrere hunderttausend Menschen durch Klein- und Leichtwaffen, mehr als eine Millionen werden verletzt. Ihren Schätzungen zufolge gibt es weltweit ungefähr 875 Millionen solcher Waffen. Aber selbst diese Zahlen liegen möglicherweise um mehre hundert Millionen daneben, denn die Verbreitung von Klein- und Leichtwaffen ist schwer zu verfolgen. Die meisten dieser Waffen – Schätzungen zufolge etwa 75 Prozent – befinden außerhalb staatlicher Kontrolle beispielsweise in den Händen von bewaffneten Banden, Bürgerkriegsmilizen oder Kriminellen.

Jedes Jahr werden schätzungsweise 700 000 bis 900 000 neue Klein- und Leichtwaffen produziert. Zu ihren gefährlichen Charakteristika gehört, dass sie robust und langlebig sind. Eine AK-47, nach ihrem Erfinder auch „Kalaschnikow“ genannt, funktioniert auch nach Jahrzehnten noch mörderisch „effektiv“. Zudem sind Kalaschnikow und das deutsche G3-Sturmgewehr einfach zu bedienen und zu reparieren. Mit ihnen ausgerüstet ziehen auch Kindersoldaten in den Krieg. Ihre einfache Bau- und Funktionsweise macht es zudem möglich, Klein- und Leichtwaffen mit wenig Spezialwissen nachzubauen. Besonders Rebellen- und Guerillagruppen nutzen diese Möglichkeit, um auf einfache Art und Weise an Waffen zu kommen.

Die leichte Verfügbarkeit von Kleinwaffen trägt in vielen Entwicklungsländern zur gewaltsamen Eskalation von Konflikten bei. Wenn Regierungen keine Kontrolle über Waffenbesitz und -gebrauch haben, sind Sicherheit und Stabilität kaum erreichbar. Noch lange nach dem Ende von Gewaltkonflikten werden Friedensbemühungen erschwert, weil Kleinwaffen den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau gefährden.

Auf der Ebene der Vereinten Nationen wurden Kleine und leichte Waffen jedoch erst Thema der internationalen Rüstungskontrolle, als sie in den 1990 Jahren sowohl in den Gewaltkonflikten in Kroatien (1991-1995) und Bosnien-Herzegowina (1992-1995) als auch beim Bürgerkrieg in Somalia (1991-1995) sowie dem Völkermord in Ruanda (1994) eine wichtige Rolle spielten.

Im Frühsommer 2001 führte dieser Prozess schließlich zu zwei konkreten Ergebnissen. Im Mai wurde das Schusswaffenprotokoll, das Teil des Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ist, verabschiedet. Das Schusswaffenprotokoll ist ein rechtlich bindender Vertrag, der die unterzeichnenden Staaten zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet, wie beispielsweise zur strafrechtlichen Verfolgung von unerlaubter Produktion und Handel von Waffen oder zur Markierung von Waffen bei Produktion und Import. Kritisch anzumerken ist, dass Länder wie die Vereinigten Staaten oder Ägypten, die zu den größten Produzenten von Klein- und Leichtwaffen gehören, es entweder gar nicht erst unterschrieben oder wie Österreich, China und Deutschland nicht ratifiziert haben.

Im Juli desselben Jahres wurde das Kleinwaffenaktionsprogramm der Vereinten Nationen beschlossen. Das Aktionsprogramm ist ein rein politisches Instrument, das für alle Mitglieder der Vereinten Nationen gültig ist. Es sieht jedes zweite Jahr ein Staatentreffen vor, um den Fortschritt bei der Kontrolle von Klein- und Leichtwaffen zu überprüfen und neue Maßnahmen zu diskutieren. Das Aktionsprogramm geht über die Bestimmungen des Schusswaffenprotokolls hinaus und empfiehlt die strenge Überwachung von staatlichen Waffenbeständen, die Zerstörung von überschüssigen Waffen sowie die klare Markierung aller Waffen bei der Produktion. Zu diesem letzten Punkt einigte sich die UN-Vollversammlung im Dezember 2005 auf das Internationale Instrument zur Markierung und Nachverfolgung.

Eine solche Markierung von Klein- und Leichtwaffen hilft, den Weg nachzuverfolgen, auf dem Waffen von ihrem Ursprungsland in Konfliktgebiete gekommen sind. Internationaler Waffenhandel involviert immer zumindest einen Verkäufer, einen Händler und einen Kunden. Einer oder mehrere dieser Parteien können staatlich sein, oftmals handelt es sich aber um nicht staatliche Akteure. Im Zeitalter der globalen Vernetzung ist gewöhnlich eine größere Zahl an Akteuren eingebunden, die an verschiedenen Orten der Welt operieren. Es ist deshalb sehr schwer nachzuvollziehen, welche Wege Waffen nehmen und an welchem Punkt sie die offiziellen Pfade verlassen. Klar ist aber, dass fast alle illegalen Waffen ursprünglich aus legalen Staat-zu-Staat Lieferungen stammen. Das ist auch einer der Schwachpunkte der bisher bestehenden Instrumente zur Kontrolle des internationalen Handels mit Klein- und Leichtwaffen: Sie konzentrieren sich auf Lieferungen, die von vornherein als unerlaubt angesehen werden, während herkömmliche Verkäufe eines Staates an einen anderen nicht reguliert sind. Zu kritisieren ist auch, dass keine Markierung von Munition vorgesehen ist, ohne die selbst die gefährlichste Waffe nutzlos wäre.

Diese Schwächen sind zum Teil auch eine Folge der komplexen Interessenslage der vielen Staaten, die sich auf eine Regulierung einigen müssen. Es ist jedoch kein Wunder, dass sich die Regionen, die am stärksten unter den Folgen einer unregulierten Verbreitung von Klein- und Leichtwaffen leiden, sich am aktivsten um ihre Kontrolle bemühen. So werden in Afrika die UN-Instrumente durch drei regionale Abkommen ergänzt, die zu den umfassendsten und strengsten Verträgen überhaupt zählen. Neben der ECOWAS-Konvention, die als besonders vorbildlich gilt, gehören hierzu das Nairobi-Protokoll und das Schusswaffenprotokoll der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC). Auch die Zentralafrikanische Wirtschaftsunion (CEEAC) arbeitet derzeit an einer Konvention zur Kleinwaffenkontrolle.

Doch auch auf globaler Ebene gibt es Positives zu verzeichnen. Das Kleinwaffenaktionsprogramm der Vereinten Nationen sieht jedes zweite Jahr ein Staatentreffen vor, um den Fortschritt bei der Kontrolle von Klein- und Leichtwaffen zu überprüfen und neue Maßnahmen zu diskutieren. Während auf den ersten drei Treffen keine Einigung erzielt wurde, konnten sich die Staaten auf dem vierten im Juni 2010 auf einen gemeinsamen Abschlussbericht und weitergehende Maßnahmen verständigen. Weitere Hoffnungen richten sich auch an das geplante internationale Waffenhandelsabkommen ATT (Arms Trade Treaty), das erstmals umfassende Regelungen für alle Arten von Waffenhandel schaffen soll. Vorbereitende Treffen sind angelaufen und eine Konferenz zur Aushandlung des Abkommens ist für 2012 veranschlagt.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 09/2011


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