Versuche der Risikobegrenzung: Nukleare Nichtverbreitung, Rüstungskontrolle und Abrüstung

Unmittelbar nach den Atomwaffeneinsätzen in Hiroshima und Nagasaki begannen erste Bemühungen zur Einhegung und Eliminierung der atomaren Gefahr. Diese dauern bis heute an. Prinzipiell können entsprechende bilaterale, multilaterale und universelle Vereinbarungen zwei Ziele haben.

Bei der Abrüstung geht es um die teilweise oder vollständige Vernichtung von Atomwaffen und/oder ihren Trägersystemen (Raketen, Flugzeugen, Schiffen und U-Booten). Damit wird ein potentieller Einsatz von Atomwaffen quantitativ eingeschränkt bzw. vollständig eliminiert.

Rüstungskontrolle in Bezug auf Atomwaffen will durch eine Steuerung von Rüstungsprozessen die Risiken einer nuklearen Aufrüstung, die Gefahr des Ausbruchs eines Nuklearkrieges sowie für unnötig gehaltene Rüstungsausgaben vermindern. Es geht um eine Begrenzung oder Abschaffung bzw. um das Verbot einzelner Waffenkategorien und/oder bestimmter militärischer Aktivitäten (zum Beispiel in bestimmten Gebieten) oder der Weitergabe von atomwaffenrelevanten Gütern. Dabei können Transparenzmaßnahmen auch politisches Vertrauen zwischen den Beteiligten befördern. Rüstungskontrolle kann, muss aber nicht die Vernichtung von Atomsprengköpfen und/oder Trägersystemen beinhalten. Sie kann bei Atommächten auch eine Umsteuerung von älteren auf neuere Technologien bewirken. Und sie kann auf eine Verhinderung der Weiterverbreitung von Atomwaffen abzielen.

Auf Rüstungskontrolle und Abrüstung von Atomwaffen drängten seit 1945 immer wieder auch Friedensbewegungen und internationale Öffentlichkeit. Ein Hindernis war und ist der Glaube der Atomwaffenmächte, dass ihre Sicherheit letztlich vom Besitz von Nuklearwaffen abhinge, sowie das Streben der USA, ihre militärtechnologische Überlegenheit unbedingt aufrecht zu erhalten.

Geschichte nuklearer Rüstungskontrolle und Abrüstung

Ende der 1940er Jahre scheiterten Versuche, die Ausbreitung von Atomwaffen schon zu Beginn des Atomzeitalters zu verhindern. Die USA waren nur zu einer Aufgabe ihrer Atomwaffen bereit, wenn vorher eine umfassende Kontrolle von Nuklearanlagen weltweit gewährleistet worden wäre. Die Sowjetunion forderte hingegen 1946 das Verbot von Atomwaffen und die Vernichtung aller Arsenale binnen dreier Monate und stimmte nur begrenzten Kontrollen von Nuklearanlagen zu. In den folgenden zwei Jahrzehnten fand vor dem Hintergrund des Kalten Krieges ein ungebremster quantitativer und qualitativer Ausbau der Atomwaffenarsenale der USA und der Sowjetunion statt. Gleichzeitig entwickelten Großbritannien (1952), Frankreich (1960) und China (1964) – also die wichtigsten Bündnispartner der damaligen atomaren Supermächte - eigene Atomwaffen.

Trotzdem gelang es erste Rüstungskontrollabkommen abzuschließen. Unter dem Eindruck wachsender Proteste gegen die Freisetzung von Radioaktivität durch Atomwaffentest schlossen die USA, die Sowjetunion und Großbritannien 1963 den „partiellen Teststoppvertrag“ ab. Er verbot Kernwaffenversuche in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser. Frankreich und China führten aber bis 1974 bzw. bis 1980 weiterhin oberirdische Tests durch.

Das atomare Wettrüsten von USA und UdSSR wurde durch diese Verträge allerdings nicht behindert. Unterirdische Nukleartests, bei denen auch eine geringe Menge an Radioaktivität frei wird, blieben erlaubt. Erst 1996 wurde ein „umfassendes Atomteststoppabkommen“ abgeschlossen. Daran halten sich zwar alle fünf „alten“ Atommächte, doch ist der Vertrag formal noch nicht in Kraft. Der US-Senat hat 1999 die Ratifizierung abgelehnt. Indien, Pakistan und Nordkorea haben ihn nicht unterschrieben und führten auch unterirdische Atomtests durch.

Atomwaffensperrvertrag

In den 1960er Jahren nahmen auch die Befürchtungen zu, dass weitere Staaten Atomwaffen erwerben würden. Die fünf damals existierenden Atomwaffenstaaten (USA, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und China) hatten jedoch ein Interesse daran, ihr Monopol möglichst aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig sahen viele andere Staaten den Frieden auch durch eine ungebremste atomare Aufrüstung der vorhandenen Atomwaffenmächte bedroht. Aus dieser Interessenlage heraus wurde 1968 der „Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen“ (auch: „Atomwaffensperrvertrag“) abgeschlossen. Die Nicht-Atomwaffenmächte verpflichten sich darin, auf Nuklearwaffen zu verzichten und ihre zivilen Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO) kontrollieren zu lassen. Die USA, Russland und Großbritannien, die den Vertrag schon 1968 unterschrieben, sowie China und Frankreich, die 1992 nachzogen, verpflichtet der Vertrag in einer relativ vagen Formulierung, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle,“ (Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen).

Gleichzeitig sieht der Atomwaffensperrvertrag die Zusammenarbeit der Vertragspartner bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie vor und bekräftigt „das unveräußerliche Recht“ aller Vertragsstaaten, „Kernenergie für zivile Zwecke zu entwickeln“. 2017 gehörten 190 Staaten dem Vertrag an. Nordkorea hatte 2003 seinen Rückzug erklärt. Indien, Pakistan Israel und Südsudan sind dem Vertrag nicht beigetreten. 1995 beschlossen die Vertragsstaaten, das ursprünglich auf 25 Jahre begrenzte Abkommen in einen Vertrag von unbegrenzter Gültigkeit umzuwandeln.

Die mangelnde Bereitschaft der Kernwaffenstaaten, ihre Arsenale abzurüsten, ist ein ständiger Streitpunkt auf den alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenzen der Vertragsteilnehmer. Auch die Anforderung, die Überprüfungsmechanismen des Vertrages zu verschärfen, ist dort Dauerthema.

Verträge über atomare Rüstungskontrolle

Seit 1969 verhandelten die USA und die Sowjetunion über quantitative und qualitative Begrenzungen ihrer nuklearen Arsenale. Hintergrund war, dass die vorhandenen Arsenale schon eine „Overkill-Kapazität“, d.h. eine vielfache Vernichtungsfähigkeit, erreicht hatten. Als erstes Abkommen wurde 1972 im Raketenabwehrvertrag („Anti-Ballistic Missiles Treaty“), die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen vereinbart, um ein Wettrüsten zwischen Offensiv- und Defensivwaffen zu verhindern. (Diesen Vertrag kündigten die USA 2002.) Mehrere Verträge begrenzen seit 1972 die strategischen Nuklearwaffen. Dieser Prozess begann noch in der Zeit der Blockkonfrontation und setzte sich bis nach der Auflösung der Sowjetunion fort.

Zuletzt schlossen die USA und Russland 2010 den sogenannten „Neuen START-Vertrag“ („New Strategic Arms Reduction Treaty“, deutsch: „Neuer Vertrag zur Verringerung der Strategischen Nuklearwaffen“). Hatte der erste START-Vertrag von 1991 noch die Reduzierung der Atomwaffenarsenale auf jeweils weniger als 6.000 Sprengköpfe und 1.600 strategische Trägersysteme vorgesehen, so beinhaltet der neue Vertrag, dass die auf strategischen Trägersystemen (Land- und U-Boot-gestützten Interkontinentalraketen sowie Langstreckenbombern) montierten Sprengköpfe bis 2017 jeweils auf maximal 1.550 Stück vermindert werden sollen. Die Anzahl der strategischen Trägersysteme wird auf jeweils 800 Stück begrenzt, von denen nicht mehr als 700 stationiert sein dürften.

Globale Null-Lösung

Zwar ging die Anzahl der Atomwaffen – vor allem seit dem Ende der Blockkonfrontation – erheblich zurück. Doch Kritiker bemängeln, dass sich mehr als zwanzig Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion noch immer tausende von Atomwaffen in den Arsenalen vor allem der USA und Russlands befinden. Dieser Umfang könnte auch nicht mit dem Hinweis auf potentielle neue Nuklearmächte oder die Gefahren des Nuklearterrors gerechtfertigt werden. Atomwaffen seien militärisch überflüssig und nicht einsetzbar sowie politisch schädlich, weil sie die Glaubwürdigkeit der Bemühungen gegen eine Verbreitung von Atomwaffen untergrüben. Vielmehr müssten konsequente Schritte zu einer „Globalen Null-Lösung“ unternommen werden (Eliminating Nuclear Threats. A Practical Agenda for Global Policymakers). Eine weitere nukleare Abrüstung von USA und Russland droht aber an den Raketenabwehrplänen der USA zu scheitern. Ohne eine erneute Reduzierung dieser Arsenale werden die übrigen Nuklearmächte jedoch kaum dazu zu bewegen sein über eine globale Null-Lösung zu verhandeln.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 01/2013


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