Fallstudie – Die Proliferationsgefahr: Die Beispiele Iran und Israel

Mit Hilfe Frankreichs wurde 1956 ein nuklearer Forschungsreaktor in Dimona in der Negev-Wüste in Israel gebaut. Später kam eine unterirdische Wiederaufbereitungsanlage hinzu, in der Plutonium für den Bombenbau produziert wurde. Schon 1967 soll Israel erste einsatzfähige Atomsprengköpfe besessen haben (Bar-Joseph 2012, S. 94). Heute geht man davon aus, dass es zwischen 80 und 200 nukleare Sprengköpfe sowie entsprechende Trägersysteme - Flugzeuge, bodengestützte und U-Boot gestützte Raketen – besitzt (Arms Control Association 2012). Die israelische Regierung gibt allerdings offiziell weder zu Atomwaffenmacht zu sein, noch verneint sie das.

Atomwaffen wurden von Tel Aviv in den 1950er und 1960er Jahren als letzte „Sicherheit“ gegenüber der vermuteten konventionellen Überlegenheit gemeinsam agierender Armeen arabischer Staaten angesehen. Die aktuelle israelische Regierung steht auf dem Standpunkt, dass erst nach einer umfassenden Friedenslösung im Nahen Osten über Abrüstung in der Region verhandelt werden könne. Kritiker wenden ein, dass Israel heute zu seiner Sicherheit gegen die arabischen Nachbarn keine Atomwaffen benötige, weil es ihnen konventionell überlegen ist (Bar-Joseph 2012).

Als einziges Land im Nahen und Mittleren Osten hat Israel den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben. Dies verlangt allerdings eine große Mehrheit der Staaten von Israel, zum Beispiel in Beschlüssen der Generalversammlung der Vereinten Nationen wie vom 3.12.2012, in der eine entsprechende Resolution mit 174 Ja-, 6 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen angenommen wurde (VN-Generalversammlung, GA/11321). Eine von den 189 Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrages geforderte Konferenz über einen von Massenvernichtungswaffen freien Nahen Osten kam nicht, wie ursprünglich geplant, im Dezember 2012 zustande, weil Israel sich weigerte daran teilzunehmen.

Die USA und viele andere westliche Staaten machen sich um die Atomwaffen des Landes keine Sorgen. Stattdessen sehen sie die Hauptgefahr in der Region in einem iranischen Streben nach Atomwaffen.

Der Iran begann in den 1960er Jahren mit Unterstützung der USA ein Atomprogramm. Nachdem 1979 eine Revolution das Shah-Regime gestürzt hatte, das ein enger Bündnispartner Washingtons gewesen war, versuchten die USA, den Bau jeglicher Atomanlagen im Land zu verhindern. Begründet wurde dies mit der Gefahr, dass die Islamische Republik Iran, die von den USA als Gegner eingeschätzt wird, zivile Anlagen als Sprungbrett für Atomwaffenambitionen nutzen könne.

Seit den 1990er Jahren warnen israelische und manche westliche Politiker davor, dass der Iran in wenigen Jahren Atombomben besitzen könne. Solche alarmistischen Voraussagen sind bisher nicht eingetroffen. Der Iran hat 2011 ein mit Hilfe Russlands erbautes ziviles Atomkraftwerk in Betrieb genommen. Ebenfalls besitzt der Iran Urananreicherungsanlagen in Natanz und Fordow. Dort könnte theoretisch nicht nur schwach angereichertes Uran für zivile Kernbrennstäbe von Atomreaktoren, sondern auch hoch angereichertes Uran – das für Nuklearwaffen erforderliche Material - produziert werden. Bisher hat der Iran nur schwach angereichertes Uran hergestellt. Bei weiterer Anreicherung könnte daraus das Spaltmaterial für etwa fünf Atombomben gewonnen werden. Die Anlagen befinden sich unter ständiger Kontrolle der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO). Diese hat bestätigt, dass aus ihnen bisher kein Nuklearmaterial für militärische Zwecke abgezweigt wurde.

Der Iran hat vor 2002 viele Jahre lang nukleare Forschungsaktivitäten verheimlicht, was den Sicherheitsbestimmungen der IAEO widersprach. Ebenfalls hat er die Urananreicherungsanlagen erst kurz vor Inbetriebnahme der IAEO gemeldet. Das hat der internationalen Gemeinschaft Anlass zu Misstrauen gegeben. Auch erfüllt die Islamische Republik nicht sämtliche Kontrollanforderungen der IAEO. Deshalb beschloss der UN-Sicherheitsrat 2006, dass der Iran u. a. jegliche Urananreicherung einstellen müsse. Teheran kommt dieser Forderung aber nicht nach, weil es sie als illegal ansieht. Als Mitgliedsland des Atomwaffensperrvertrages habe der Iran das „unveräußerliche Recht“ zur zivilen Nutzung der Kernenergie – und damit auch zur Urananreicherung zu zivilen Zwecken.

Eindeutige Beweise für ein Streben des Iran nach Atomwaffen, wie zum Beispiel die Produktion von hochangereichertem Uran, gibt es nicht. Die US-Geheimdienste halten an ihrer schon 2007 getroffenen Einschätzung fest, dass der Iran sein strukturiertes Atomwaffenprogramm 2003 eingestellt und bisher keine Entscheidung getroffen habe, es wieder in Gang zu setzen. Entsprechend formulierte US-Verteidigungsminister Leon Panetta 2012: „Ist der Iran dabei, Atomwaffen zu entwickeln? Nein“ (Leon Panetta). Allerdings sei der Iran prinzipiell technisch in der Lage, Atomwaffen zu produzieren, schätzen die US-Geheimdienste ein. Der Versuch der Bombenproduktion würde aber laut Einschätzung der US-Regierung von der IAEO und der CIA schnell entdeckt werden.

Der Iran weist den Verdacht, vor 2003 ein Atomwaffenprogramm betrieben zu haben, sowie der Vorwurf, generell nach Atomwaffen zu streben, zurück. Das religiöse Staatsoberhaupt der Islamischen Republik Iran Ayatollah Ali Chamenei hat in einer Fatwa, einem islamischen Rechtsgrundsatz, die Entwicklung von Nuklearwaffen als „aus der Sicht der islamischen Rechtswissenschaft für gesetzwidrig“ erklärt. Auch seien Atomwaffen „nutzlos und gefährlich. Deshalb werden wir niemals nach ihnen streben“ (Ayatollah Ali Chamenei). Auch andere iranische Politiker argumentieren, dass der Besitz von einigen Atomwaffen nichts gegen die atomare Übermacht der USA ausrichten könne sowie ein Wettrüsten im Nahen Osten forcieren würde, das den iranischen Sicherheitsinteressen zuwiderliefe. Es ist nicht auszuschließen, dass solche Aussagen reine Propaganda seitens der iranischen Führung sind. Das Misstrauen gegenüber den möglichen Absichten des Irans wird auch dadurch genährt, dass der Iran nicht alle seine Atomanlagen lange vor Produktionsbeginn der IAEO mitgeteilt hat und dass es Fragen der IAEO bezüglich möglicher militärischen Dimensionen des Atomprogramms nicht zufriedenstellend beantwortet hat.

Da die begrenzten vom UN-Sicherheitsrat beschlossen Sanktionen gegen den Iran Teheran nicht zur Aufgabe der Urananreicherung bewegt haben, verhängten die USA und die Europäische Union 2012 einschneidende Wirtschaftssanktionen, die die Haupteinnahmequelle des Iran, den Öl- und Gasexport, empfindlich treffen sowie jegliche Finanztransaktionen mit iranischen Banken erschweren. Über Wirtschaftssanktionen hinaus wurden auch Computerviren in iranische Atomanlagen eingeschleust und iranische Nuklearwissenschaftler durch gezielte Anschläge ermordet. Laut Medienrecherchen und -berichten, zum Beispiel der „New York Times“, sollen diese Aktionen von Israel oder den USA ausgegangen sein.

Gleichzeitig laufen seit Jahren Verhandlungen zwischen den sechs Mächten USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite. Doch diese blieben bisher ergebnislos. Verantwortlich sind dafür sowohl Teherans Weigerung, seine Urananreicherung entsprechend der Forderung des UN-Sicherheitsrats einzustellen, als auch die mangelnde Bereitschaft der USA, eine international kontrollierte Urananreicherung zu zivilen Zwecken im Iran hinzunehmen und Sanktionen im Gegenzug zu iranischen Zugeständnissen aufzuheben.

Insbesondere Israel, aber auch die USA drohen mit einem militärischen Angriff gegen die iranischen Atomanlagen. Doch der könnte „katastrophale Folgen“ haben, warnen Experten wie der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert Gates (Robert Gates). Übereinstimmung herrscht auch in der Einschätzung, dass ein Angriff das iranische Atomprogramm zwar bestenfalls um wenige Jahre zurückwerfen, Teheran aber vermutlich dann entscheiden würde, so schnell wie möglich – heimlich - Atombomben herzustellen. Sollte ein Angriff ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats stattfinden – und eine solche Zustimmung ist nicht zu erwarten -, wäre er „ein eindeutiger Bruch der Charta der UNO“ (Carl Bildt, Erkki Tuomioja), wie es die Außenminister Schwedens und Finnlands formulierten.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 01/2013


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