Atomterrorismus - Mythos oder reale Gefahr?

Die Angst vor einer nuklearen Waffe in den Händen von Terroristen ist fast so alt wie die Atombombe selbst. Schon Anfang der 1950er Jahre warnte Robert Oppenheimer, einer der Väter der amerikanischen Nuklearwaffen, dass drei oder vier Menschen New York zerstören könnten, wenn es ihnen gelänge eine Atombombe in die Stadt zu schmuggeln. Nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahre 1991 keimte die Diskussion um Atomterrorismus wieder auf, weil die Sicherheit von Tausenden von Atomwaffen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion als ungenügend eingeschätzt wurde. Noch mehr haben schließlich die Terrorangriffe von Al Qaida in New York und Washington vom 9. September 2001 die Sorge vor Nuklearterrorismus angeheizt.

Wie schon sein Vorgänger George W. Bush hat auch US-Präsident Barack Obama erklärt: „Die mit Abstand größte Gefahr für die Sicherheit der USA, kurz-, mittel- sowie langfristig, wäre die Möglichkeit, dass sich eine terroristische Organisation eine Nuklearwaffe beschafft“ (Barack Obama).

Bis heute hat es allerdings keinen Terroranschlag weder mit Atomwaffen noch überhaupt mit Nuklearmaterial gegeben. Auch deshalb sind die Warnungen vor „Atomterror“ umstritten. Kritiker schätzen sie als alarmistisch und übertrieben ein. Selbst die deutsche Bundesregierung zum Beispiel schätzt die Gefahr, dass Terroristen eine so genannte „schmutzige Bombe“ (s. u.) einsetzen als weit größer ein als die, dass sie Atomwaffen in ihren Besitz bringen könnten (Schmitt-Roschmann, 2010).

Terroristen und Nuklearwaffen/Nuklearmaterial

Es gibt Hinweise darauf, dass die internationale Terrorgruppe Al Qaida sich Gedanken darüber gemacht hat, Atomwaffen zu erwerben. Doch wirkliche Pläne sind aus den Gedankenspielen wohl nicht geworden (John Mueller, 2010). Tschetschenische Terroristen sollen den Diebstahl von russischen Atomwaffen erwogen haben. Sie haben auch Nuklearmaterial besessen und damit gedroht, es in Russland in einer „schmutzigen Bombe“ zum Einsatz zu bringen. Insofern ist ein gewisses Interesse von Terrororganisationen an Nuklearterrorismus festzustellen. Doch dem stehen auch zahlreiche Hindernisse entgegen.

Drei Wege zur Bombe für Terroristen

Der kürzeste Weg für Terroristen, in den Besitz einer Atombombe zu gelangen, wäre, eine fertige Atomwaffe zu stehlen. Allerdings schützen die Atommächte ihre Nuklearwaffen sehr gut. Auch sind die Nuklearwaffen durch spezielle Sicherheitscodes gesichert, so dass man sie nicht einfach zünden könnte, selbst wenn Terroristen sie in ihren Besitz hätten bringen können. „Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Erwerbs ist deshalb sehr gering“, schätzen deshalb auch Experten ein, die vor den Gefahren des Nuklearterrorismus warnen (Belfer Center for Science and International Affairs (Cambridge USA)/ Institute for U.S. and Canadian Studies (Moskau, Russland), 2011).

Ein zweiter Weg wäre, dass Terroristen Atomwaffen kaufen oder von Regierungen übergeben bekommen, die Atomwaffen besitzen. Doch auch diese hypothetische Möglichkeit erscheint den meisten Experten als sehr gering. Denn mit der Übergabe von Atomwaffen an Terrororganisationen würden Atomwaffenstaaten die letztliche Entscheidung über einen Einsatz dieser Waffe abgeben, obwohl sie mit einem Gegenschlag rechnen müssten, der ihr Land und ihr System zerstört.

Der dritte Weg wäre, dass Terroristen sich Nuklearmaterial beschaffen und daraus eigenständig eine Atomwaffe herstellen. Atomwaffen benötigen spaltbares Material entweder aus Plutonium oder aus hoch angereichertem Uran. Diese beiden Materialien erfordern hoch entwickelte Technologien und Produktionsstätten – nukleare Wiederaufbereitungsanlagen oder Urananreicherungsanlagen. Dass Terrorgruppen solche Anlagen heimlich betreiben könnten, ist äußerst unwahrscheinlich.

Hingegen ist der Diebstahl solcher Materialien schon eher denkbar. Gegenwärtig gibt es in der Welt Bestände von über 2000 Tonnen an hoch angereichertem Uran und von Plutonium, das aus verbrauchten Kernbrennstäben von Atomkraftwerken extrahiert worden ist oder aus außer Dienst gestellten Atomwaffen stammt. Der überwiegende Teil davon befindet sich im Besitz der USA und Russlands. Doch 100 zivile nukleare Forschungsreaktoren in circa 30 Staaten werden mit hoch angereichertem Uran betrieben. Dort sind die Sicherheitsvorkehrungen geringer. In einer kleinen Anzahl von diesen 100 Forschungsreaktoren ist genug Nuklearmaterial zur Herstellung einer Atombombe vorhanden.

Sollten Terroristen in den Besitz dieses Materials gelangen, so hätten sie allerdings noch viele Schwierigkeiten zu überwinden, um daraus eine Atombombe zu bauen. Während einige Experten dies trotzdem für machbar halten, kritisieren andere die Auffassung, dass Atomwaffen einfach herzustellen wären. Zum Beispiel schätzte der ehemalige Forschungsdirektor des US-Atomwaffenlabors Los Alamos, Stephen M. Younger, ein: „Zu denken, dass eine Terrorgruppe, die in der Isolation mit unzuverlässiger Energiezufuhr und mit nur geringen Zugriff zu Werkzeugen und Ausstattungen“ eine Bombe oder auch nur eine improvisierte nukleare Sprengladung herstellen könnte, „ist bestenfalls weit hergeholt“ (Stephen M. Younger, 2007). Technisch hoch qualifizierte Spezialisten müssten besondere technische Gerätschaften zur Verfügung haben. Deren Erwerb wie auch der Diebstahl von hoch angereichertem Uran dürfte nicht unerkannt bleiben. Ein weiteres Problem bestünde darin, eine selbst gebastelte Bombe zu transportieren, da sie etwa eine Tonne wiegt.

Sabotage von Nuklearanlagen

Die Katastrophe an den japanischen Kernkraftwerken in Fukushima hat deutlich gemacht, wie zivile Nuklearanlagen durch natürliche Umstände wie einen Tsunami bedroht sind. Sabotageakte auf Kernanlagen durch Terroristen sind ebenfalls denkbar. Es wird berichtet, dass auch Al Qaida einen Angriff auf US-Nuklearanlagen erwogen haben soll (Bunn, 2012, S.32). Allerdings hätte die Terrororganisation angesichts der Berstschutzes sowie anderer Sicherheitsvorkehrungen in den meisten US-Kernkraftwerken solche Überlegungen nicht weiter verfolgt. Doch die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht in allen Nuklearanlagen, auch nicht in den USA oder Russland, optimal, so dass ein hypothetisches Risiko von Sabotageangriffen auf weniger gesicherte Anlagen bestehen bleibt.

Terror mit „Schmutziger Bombe“

Als „schmutzige Bombe“ (auch: „radiologische Waffe“) bezeichnet man eine Menge an nuklearem Material, die durch konventionellen Sprengstoff über ein bestimmtes Gebiet verstreut wird. Im Unterschied zu einer Atomwaffe kommt es bei einer „schmutzigen Bombe“ nicht zu einer nuklearen Kettenreaktion, deren Hitze, Druck und Radioaktivität katastrophale Auswirkungen hat.

An das für eine schmutzige Bombe benötigte Material könnten Terrororganisationen noch am einfachsten herankommen. Solche Stoffe sind in Zehntausenden von Krankenhäusern, Forschungs- und Produktionsstätten (z. B. von Feuermeldern) in der Welt vorhanden. Unter ihnen sind unter anderem Cäsium, Kobalt und Strontium besonders hoch radioaktiv. Hingegen kommt Plutonium und angereichertes Uran für eine „schmutzige Bombe“ nicht in Frage, da diese Stoffe giftig, aber nicht radioaktiv genug sind.

Je nach dem, wie radioaktiv das benutzte Material ist, desto größer wären die Opfer und die finanziellen Schäden, die die radioaktive Strahlung hervorrufen kann. Dem konventionellen Sprengstoff, mit der die „schmutzige Bombe“ gezündet würde, würden in der Regel aber mehr Menschen zum Opfer fallen als der radiologischen Verseuchung. Der US-Experte Matthew Bunn schätzt, dass die durch eine schmutzige Bombe freigesetzte Radioaktivität „kurzfristig null bis ein paar Menschenleben, langfristig einige Hundert zusätzliche Krebstote“ bewirken würde (Matthew Bunn). Allerdings könnten die finanziellen Kosten einer Dekontaminierung hoch sein. Auch könnte der psychologische Effekt eine Panik sein. Deshalb werden solche „schmutzigen Bomben“ von Bunn auch als „Massenstörungswaffen – nicht Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet.

Bisher hat noch kein einziger Terroranschlag mittels einer „schmutzigen Bombe“ stattgefunden. Das dürfte auch mit den Problemen der Beschaffung, des Umgangs mit dem radioaktiven Material und des Baus einer entsprechenden Bombe sowie mit der (begrenzten) potentiellen Wirksamkeit dieser Waffe zusammenhängen.

Wie die Gefahren eines Nuklearterrorismus eingedämmt werden können

Mehrere Schritte sind möglich, um das Risiko eines nuklearen Terrorismus - so gering es auch sein mag – noch weiter zu begrenzen.

Zum einen sollten die Atomwaffenarsenale weiter reduziert werden. Zum anderen sollte insbesondere der Umgang mit hoch angereichertem Uran und Plutonium möglichst weitgehend zurückgefahren werden. Zum Beispiel können Forschungsreaktoren auch mit leicht angereichertem Uran betrieben werden. In den letzten Jahren haben schon 20 Staaten eine solche Umstellung durchgeführt, wodurch das Risiko eines Diebstahls dieses für die Herstellung von Atomwaffen benötigten Materials vermindert wurde. Schließlich müssen die Sicherheitsvorkehrungen für die vorhandenen Nuklearwaffen sowie für alle militärischen und zivilen nuklearen Anlagen – insbesondere diejenigen, in denen mit Plutonium oder hoch angereichertem Uran gearbeitet wird - erhöht werden. Für Letzteres setzen sich auch zahlreiche Staaten ein, die 2010 auf Initiative des US-Präsidenten Barack Obama in Washington und 2012 in Seoul zum „Nukleargipfel“ zusammengekommen sind.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 01/2013


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