Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle

Die Genfer Konventionen sind insgesamt vier Abkommen zwischen Staaten, die in ihrer heute gültigen Fassung am 12. August 1949 vereinbart wurden und international verbindliche Regeln zum Umgang mit Kriegsgefangenen, verwundeten Soldaten und Zivilisten in Kriegen aufstellen. Derzeit haben 194 Staaten - und damit alle Mitgliedsländer der Vereinten Nationen - diese Verträge ratifiziert. Aufgrund ihrer hohen Akzeptanz und Verbreitung gelten die Genfer Konventionen als Kernelement des humanitären Völkerrechts. Sie sind das einzige internationale Vertragswerk, das universell anerkannt ist.

Der historische Ursprung des ersten Genfer Abkommens geht unmittelbar auf eine Initiative des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zurück, welches der Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant 1863 gründete. Bereits ein Jahr später, am 22. August 1864, einigten sich zwölf Staaten bei einer Konferenz in Genf auf ein erstes Regelwerk zum Schutz von in Landkriegen verletzten Soldaten sowie der sie versorgenden Personen und Einrichtungen.

Diese erste Genfer Konvention setzte einen Prozess über die völkerrechtliche Verregelung der Kriegsführung in Gang, dem sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte immer mehr Staaten anschlossen. Wichtige Meilensteine waren die Haager Landkriegsordnungen von 1899 und 1907, welche unter anderem erste Bestimmungen zur Definition und zum Status von Kombattanten, zur Behandlung von Kriegsgefangenen und zum Waffeneinsatz festlegten. Das X. Haager Abkommen von 1899 weitete die Regeln der ersten Genfer Konvention auf den Seekrieg aus. Unter dem Eindruck neuer militärischer und waffentechnologischer Entwicklungen, insbesondere der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, wurden bestehende Regelwerke kontinuierlich überarbeitet und erweitert. Das sogenannte Genfer Protokoll von 1925 verbot zum Beispiel den Einsatz chemischer und biologischer Waffen. Am 27. Juli 1929 wurde zudem mit dem Genfer Abkommen „über die Behandlung von Kriegsgefangenen“ ein Vertrag ins Leben gerufen, der über die bereits in der Haager Landkriegsordnung festgelegten Bestimmungen hinausging. Während des Zweiten Weltkriegs blieb die Wirkung dieses Abkommens allerdings gering. Deutschland hielt sich nicht daran; andere Länder wie die Sowjetunion oder Japan hatten es gar nicht erst unterzeichnet.

Die vier 1949 vereinbarten Genfer Konventionen stellen in wesentlichen Teilen eine Revision und in der Regel auch Erweiterung verschiedener Vorgängerverträge dar. Die erste Konvention zur „Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde“ basiert auf dem ersten Genfer Abkommen von 1864. Die zweite Konvention „zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See“ ersetzt das X. Haager Abkommen von 1899. Die dritte Konvention „über die Behandlung der Kriegsgefangenen“ fußt schließlich sowohl auf der Haager Landkriegsordnung als auch auf dem Genfer Abkommen von 1929. Sie räumt gefangenen Soldaten unter anderem ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, medizinische Versorgung sowie „auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre“ ein.

Ein gewisses Novum im humanitären Völkerrecht verkörperte die vierte Konvention, welche erstmalig „den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten“ in den Mittelpunkt eines internationalen Abkommens stellte. Sie enthält zum größten Teil Vorschriften zum Umgang mit Nicht-Kombattanten, die von einer fremden Macht interniert wurden. Die Konvention verbietet auch Angriffe auf zivile medizinische Einrichtungen und Krankentransporte.

Seit dem 8. Juni 1977 ergänzen zwei Zusatzprotokolle die Genfer Konventionen. Das erste Protokoll enthält einige zusätzliche Vorschriften zum Schutz von Zivilisten und Verwundeten und verbietet den Einsatz von Gewaltmitteln, „die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen“. Vor allem trägt das Zusatzprotokoll aber veränderten Konfliktkonstellationen Rechnung und weitet den Geltungsbereich der Genfer Konventionen auf „internationale bewaffnete Konflikte“ aus, zu denen auch Situationen gehören, „in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regimes in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen“.

Das zweite Zusatzprotokoll benennt die Grundrechte von Zivilisten in „nicht internationalen bewaffneten Konflikten“, die allgemeiner als Auseinandersetzungen „im Hoheitsgebiet“ einer Vertragspartei verstanden werden, die „zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden“. Die Zusatzprotokolle wurden inzwischen von der großen Mehrheit aller Staaten ratifiziert.

Das dritte und vorerst letzte Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen wurde am 8. Dezember 2005 angenommen. Es ergänzt die drei bisher verwendeten Schutzzeichen für Sanitätspersonal und –Einrichtungen (rotes Kreuz, roter Halbmond, roter Löwe mit roter Sonne) um ein viertes Symbol ohne jede religiöse, ethnische oder politische Bedeutung: ein roter Rahmen in Form eines auf der Spitze stehenden Quadrats auf weißem Grund.

Mögliche Verstöße gegen die Bestimmungen der Genfer Konventionen und ihrer Zusatzprotokolle können seit 1991 durch eine Internationale Humanitäre Ermittlungskommission untersucht werden, die jedoch mit keinerlei hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet ist. Die Konventionen selbst legen keine Sanktionen für Verletzungen fest. Bestrafungen erfolgen also entweder im Rahmen nationaler Gesetzgebungen der Unterzeichnerstaaten (in Deutschland ist das seit 2002 das Völkerstrafgesetzbuch); in bestimmten Fällen kann auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen juristisch ahnden.

Derzeitige Veränderungen in der Kriegsführung bzw. in der juristischen Beurteilung von Kriegsteilnehmern führen dazu, dass größere Gruppen von Kombattanten nicht unter den Schutzschirm der Genfer Konventionen gehören, vor allem hinsichtlich ihrer Rechte als Kriegsgefangene. Zum einen gilt das für „islamistische“ Aufständische im Irak, Afghanistan oder Pakistan, die z.B. von den Vereinigten Staaten als „ungesetzliche Kombattanten“ eingestuft wurden. Dies begründete aus Sicht der US-Regierung wiederum ihre Internierung unter Bedingungen, die eindeutig gegen die dritte und wohl auch einige Bestimmungen der vierten Genfer Konvention verstoßen.

Zum anderen ist auch der völkerrechtliche Status von bewaffneten Mitarbeitern sogenannter privater Militärfirmen umstritten, wie sie die Vereinigten Staaten selbst häufig beauftragen. Einige könnten nach Artikel 47 des ersten Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen als „Söldner“ gelten. In diesem Fall besäßen sie nicht die Rechte regulärer Kriegsgefangener, könnten sich aber dennoch auf Artikel 5 der vierten Genfer Konvention berufen, der ihnen das Recht zuspricht, ein „gerechtes und ordentliches Verfahren“ zu erhalten sowie „mit Menschlichkeit behandelt“ zu werden.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2013


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