Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE und A-KSE-Vertrag)

Der im Prinzip noch heute gültige Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) legt Obergrenzen für die Anzahl schwerer Waffensysteme fest, die im „gesamte Der Vertrag entstand vor dem Hintergrund der Entspannung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion während der Endphase des Kalten Krieges. Am 19. November 1990 unterzeichneten in Paris 22 Mitgliedsstaaten der Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO) und des Warschauer Pakts das Abkommen, das am 9. November 1992 schließlich in Kraft trat. Es verfolgte das Ziel, die immensen Waffenarsenale auf beiden Seiten innerhalb eines vertraglich vereinbarten Zeitraums von 40 Monaten deutlich zu reduzieren. Demnach sollten die NATO-Mitglieder und die Staaten des Warschauer Pakts im Anwendungsgebiet jeweils insgesamt über nicht mehr als 40.000 Kampfpanzer, 60.000 gepanzerte Kampffahrzeuge, 40.000 Artilleriewaffen, 13.600 Kampfflugzeuge und 4.000 Angriffshubschrauber verfügen. Der KSE-Vertrag sieht darüber hinaus niedrigere Obergrenzen für einzelne Regionen vor, einschließlich der sogenannten „Flankenobergrenzen“, welche insbesondere die russischen Waffenbestände im Norden und Süden des Vertragsgebiets beschränken.

Um die Ziele des KSE-Vertrages zu erreichen, zerstörten die Vertragsstaaten in der Folgezeit mehr als 50.000 Waffensysteme. Die Maßnahmen wurden von einem – ebenfalls im Vertrag festgelegten – Informationsaustausch sowie von gegenseitigen Inspektionen begleitet. Zudem wurde der Vertrag 1992 durch die sogenannte KSE-1a Vereinbarung um Obergrenzen für die Anzahl von Soldaten ergänzt.

Eine erste Überprüfungskonferenz des KSE-Vertrags fand vom 15. Mai bis zum 1. Juni 1996 in Wien statt. Obwohl die Mitglieder – durch den Zerfall der Sowjetunion inzwischen auf 30 angewachsen – die große Bedeutung des Vertrages für konventionelle Rüstungskontrolle in Europa bekräftigten, stellte sich heraus, dass Veränderungen in der europäischen Sicherheitsarchitektur seine Anpassung erforderlich machten. Der Warschauer Pakt hatte sich bereits 1991 – ein Jahr vor dem Inkrafttreten des KSE-Vertrags – aufgelöst. Russland führte seit 1994 Krieg im Nordkaukasus und hielt sich nicht an die vertraglich vereinbarte regionale Begrenzung von Waffensystemen an seiner Südflanke. Zwar konnte mit einer neuen „Flankenvereinbarung“ bei der Konferenz in Wien in dieser Frage noch ein Kompromiss gefunden werden. Als Ende der 1990er Jahre jedoch drei ehemalige Mitglieder des Warschauer Pakts – Polen, Tschechien und Ungarn – der NATO beitraten, wurde es offensichtlich, dass der KSE-Vertrag in seiner 1990 vereinbarten Form veraltet war. 1997 begannen die Verhandlungen über eine Aktualisierung, parallel dazu entstand der NATO-Russlandrat, der die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten verbessern soll.

Während eines Gipfeltreffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Istanbul beschlossen die KSE-Vertragspartner am 19. November 1999 schließlich ein Übereinkommen über die Anpassung des KSE-Vertrages (A-KSE). Die Beschränkungen für konventionelle Waffensysteme sollten darin unter anderem nicht mehr an zwei „Blöcken“, sondern an individuellen Territorialgrenzen ausgerichtet sein. Darüber hinaus sah das A-KSE Übereinkommen verstärkte gegenseitige Inspektionen vor. Zahlenmäßig lagen die Obergrenzen für Waffen und Soldaten hingegen insgesamt nur geringfügig unter den 1990 bzw. 1992 festgelegten Werten – die Flankenobergrenzen wurden auf Wunsch Russlands sogar erhöht.

Russland, Weißrussland, die Ukraine und Kasachstan ratifizierten das A-KSE Übereinkommen 2004. Die NATO-Mitglieder knüpften ihre Zustimmung jedoch an den Abzug russischer Truppen aus Georgien und Moldawien. Dies sollte insbesondere für die abtrünnigen, international aber nicht anerkannten Regionen Abchasien und Transnistrien gelten. Da sich Russland weigerte, diesen sogenannten Istanbuler Verpflichtungen (die selbst nicht Gegenstand des A-KSE Übereinkommens waren) nachzukommen, trat das Abkommen letztlich nicht in Kraft.

Spannungen zwischen der NATO und Russland verhinderten auch in den Folgejahren eine Überarbeitung und Anpassung des KSE-Vertrags. So traten Slowenien, Litauen, Estland und Lettland, die seit 2004 NATO-Mitglieder sind, dem Vertrag zum Ärger Moskaus gar nicht erst bei. Die NATO begründet dies damit, dass der ursprüngliche KSE-Vertrag keine Beitrittsklausel enthält (eine solche wäre erst mit dem A-KSE Abkommen geschaffen worden). Die Pläne der US-Regierung von Präsident George W. Bush, Raketenabwehrsysteme der NATO in Polen und Tschechien zu stationieren, verstärkten den Konflikt mit Russland. Am 12. Dezember 2007 setzte Präsident Wladimir Putin die Anwendung des KSE-Vertrags durch ein Moratorium einseitig aus. Russland stellt eine Reihe von Bedingungen für eine Rückkehr in das Kontrollregime auf, bislang konnte mit der NATO aber keine Einigung darüber erzielt werden. 2011 suspendierten auch die NATO-Staaten daraufhin die Weitergabe von Informationen an Russland.

Beobachter sind sich darin einig, dass die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa einer grundlegenden Überarbeitung bedarf, wenn nicht sogar eines Neuanfangs. Durch die Beitritte Sloweniens und der baltischen Staaten zur NATO sind inzwischen selbst die im A-KSE Übereinkommen festgeschriebenen nationalen Beschränkungen veraltet. Die Bundesrepublik Deutschland wirbt seit einiger Zeit dafür, sich von der Idee eines Systems territorialer „Obergrenzen“ von Waffen und Soldaten zu verabschieden und stattdessen den Schwerpunkt auf „verifizierbare Transparenz“ in militärischen Belangen zu legen. In den letzten Jahren zeigen aber weder Russland noch die Vereinigten Staaten besonders großes Interesse daran, der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa den notwendigen neuen Schwung zu verleihen.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2013


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