Der Vertrag über den Offenen Himmel

Der Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies Treaty) oder kurz OH-Vertrag, ist ein kooperatives Rüstungskontrollabkommen, das am 1. Januar 2002 in Kraft trat und derzeit 34 teilnehmende Staaten hat. Er ermöglicht den Mitgliedern kurzfristig angekündigte, unbewaffnete Beobachtungsflüge über dem gesamten Territorium anderer Vertragsstaaten durchzuführen, um insbesondere militärische Einrichtungen, Systeme und Bewegungen zu erfassen. In diesem Sinne ist der OH-Vertrag unter anderem ein wichtiges Instrument, um beispielweise die Einhaltung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag) zu überwachen. Prinzipiell ermöglicht er auch Observationsflüge zum Zwecke des Krisenmanagements, der Konfliktvermeidung und zur Umweltbeobachtung. Die eingesetzten Flugzeuge sind von den Vertragspartnern zertifiziert und mit bestimmen Sensoren für Foto-, Radar- und Infrarotaufnahmen ausgestattet. Der OH-Vertrag soll die Transparenz zwischen den teilnehmenden Staaten erhöhen und so zur gegenseitigen Vertrauensbildung beitragen. Seine Implementierung wird durch die Open Skies Consultative Commission (OSCC) gewährleistet, die bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien angesiedelt ist.

Erstmals schlug der US-Präsident Dwight D. Eisenhower im Juli 1955 der Sowjetunion vor, einen Vertrag zur Ermöglichung gegenseitiger Beobachtung aus der Luft zu schaffen. Die Führung in Moskau lehnte den Vorschlag seinerzeit ab, da sie befürchtete, ein solches Abkommen könne zu Spionagezwecken missbraucht werden. Als sich der Kalte Krieg seinem Ende näherte, griff US-Präsident George H.W. Bush die Idee wieder auf. Die Verhandlungen zwischen den NATO-Mitgliedern und den Staaten des Warschauer Pakts begannen im Februar 1990 und mündeten in der Unterzeichnung des OH-Vertrags am 24. März 1992 in Helsinki, Finnland.

Zu den Erstunterzeichnern gehörten 27 Staaten: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Kirgisistan, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, die Slowakei, Spanien, die Türkei, die Ukraine, Ungarn, die Vereinigten Staaten und Weißrussland. Bis auf Kirgisistan haben alle den Vertrag bislang ratifiziert. Als weitere Mitglieder sind inzwischen Bosnien-Herzegowina, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Schweden und Slowenien hinzugekommen. Der OH-Vertrag steht einer Erweiterung ausdrücklich offen gegenüber. Staaten, die ehemals Teil der Sowjetunion waren, können jederzeit beitreten, über Bewerbungen anderer Länder wird ein Konsensentscheid innerhalb des OSCC getroffen.

Eine Quotenregelung bestimmt die Anzahl der jährlich erlaubten Observationsflüge. Jedem Vertragsstaat ist eine eigene „passive Quote“ zugeordnet, die sich an seiner territorialen Größe orientiert. Für Russland und die Vereinigten Staaten beträgt diese Größe zum Beispiel jeweils 42, für Deutschland 12. Die passive Quote benennt die Zahl von Observationsflügen, die ein Staat pro Jahr über seinem Territorium höchstens genehmigen muss. Daneben regelt eine „aktive Quote“ die maximale Anzahl der Flüge, die jedes Mitgliedsland selbst durchführen darf. Die aktive Quote eines Staates kann dabei niemals dessen passive Quote überschreiten. Seit Inkrafttreten des Vertrags hat es bereits knapp 1.000 Beobachtungsflüge gegeben; besonders die Vereinigten Staaten und Russland nutzen die Regelungen des OH-Vertrags zur kontinuierlichen gegenseitigen Überwachung.

Der Ablauf einer Observationsmission ist im Vertrag sehr genau festgelegt. Der „beobachtende“ Vertragsstaat hat den „beobachteten“ Vertragsstaat 72 Stunden vor Beginn der Mission über seine Absicht zu informieren, wobei letzterer dann 24 Stunden Zeit hat, diese Ansage zur Kenntnis zu nehmen und mitzuteilen, ob der Beobachter ein eigenes Flugzeug benutzen kann oder ihm ein Flugzeug zur Verfügung gestellt wird. In jedem Fall wird die Beobachtungsmission gemeinsam durchgeführt. Insbesondere einigen sich beide Seiten auf eine Flugroute, wobei Start-, Betankungs- und Endpunkte im OH-Vertrag vorgegeben sind. Ansonsten hat der beobachtete Staat den Wünschen des Beobachters entgegenzukommen, es sei denn, es sprechen entweder logistische oder flugsicherheitstechnische Gründe gegen eine bestimmte Route.

Bringt der Beobachter ein eigenes Flugzeug mit, hat der beobachtete Staat wiederum die Möglichkeit, dieses vorher zu inspizieren und so zu prüfen, ob es den Vorgaben des Vertrags entspricht. Zertifizierte Observationsflugzeuge müssen mit bestimmten Sensoren ausgestattet sein, die jedem Vertragsstaat prinzipiell zugänglich sind und einerseits größeres militärisches Gerät erkennen, andererseits aber nicht über eine zu große Auflösung verfügen. Die Mission sollte 96 Stunden nach Ankunft des Observationsteams abgeschlossen sein. Die während eines Beobachtungsfluges gesammelten Daten können später von jedem Vertragsstaat erworben werden.

Eine erste Überprüfungskonferenz des OH-Vertrags fand vom 14. bis 16. Februar 2005 statt, eine zweite vom 7. bis 9. Juni 2010 in Wien unter Vorsitz der Vereinigten Staaten statt. Die Mitglieder bekräftigten darin die große Bedeutung des Vertrags als Instrument der strategischen Vertrauensbildung. Sie kündigten darüber hinaus eine Modifizierung des Vertrags an, damit auch digitale Kameras und Sensoren zur Beobachtung eingesetzt werden können. Mittelfristig soll der Vertrag möglichst auf alle Mitgliedsstaaten der OSZE ausgeweitet werden.

In der Bundesrepublik Deutschland ist das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr mit der Planung, Ausführung und Auswertung von OH-Beobachtungsmissionen mit deutscher Beteiligung betraut. Allerdings besitzt Deutschland derzeit kein eigenes zertifiziertes Flugzeug, das derartige Missionen ausführen könnte. Die mit entsprechenden Sensoren ausgestattete Tupolev TU154M der Luftwaffe, die für diese Aufgabe vorgesehen war, kollidierte am 13. September 1997 mit einem amerikanischen Militärflugzeug über dem Südatlantik und stürzte ab. Alle 24 Insassen kamen bei diesem Vorfall ums Leben. Seitdem führt die Bundesregierung die Kontrollflüge mit angemieteten oder bereitgestellten Flugzeugen durch.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2013


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