Wichtige nukleare Rüstungskontrollverträge

Im Laufe der Geschichte wurden etliche nukleare Rüstungskontrollverträge ausgehandelt. Sie wurden teils von sehr vielen Ländern, teils aber auch von nur zwei Nationen unterzeichnet. Die wichtigsten in Kürze:

Multilaterale Verträge

Rüstungskontrollverträge, die auf eine breite oder gar universale Mitgliedschaft zielen, haben die größte Bedeutung. Etliche dienen vor allem dazu das Entstehen neuer Atommächte zu verhindern, also der Nichtverbreitung. Ihr weiter gestecktes Ziel ist jedoch auch die atomare Abrüstung.

Der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV)

Der politisch bedeutendste dieser Verträge ist der NVV, der in Deutschland meist als Atomwaffensperrvertrag bezeichnet wird (englisch: Non-Proliferation Treaty, NPT). Dem 1968 abgeschlossenen und 1970 in Kraft getretenen Abkommen gehören heute fast alle Staaten der Erde an. Seine Laufzeit wurde zunächst auf 25 Jahre begrenzt; diese Regelung wurde aber 1995 aufgehoben. Der NVV kennt mit China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA nur fünf Nuklearwaffenstaaten als Mitglieder; alle anderen sind nicht nukleare Vertragsparteien. Nicht Mitglied sind heute nur Indien, Israel, Pakistan und seit 2003 Nordkorea, dessen Austritt aber international nicht anerkannt wird. All diese Staaten betreiben aktiv militärische Nuklearprogramme und dürften dem Vertrag erst beitreten, wenn sie zuvor auf diese Programme verzichten.

Der NVV verpflichtet in Artikel 2 seine nicht nuklearen Mitglieder „Kernwaffen oder sonstige Kernsprengköpfe oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen.“ Umgekehrt versprechen die anerkannten fünf Kernwaffenstaaten in Artikel 1, niemals Nichtatomwaffenstaaten dabei zu helfen, ihre Verpflichtung aus Artikel 2 zu umgehen. Artikel 4 des Vertrages sichert den Nichtkernwaffenstaaten im Gegenzug das Recht einer vollumfänglichen zivilen Nutzung der Kerntechnik zu, z.B. „auch für einen geschlossen Brennstoffkreislauf mit Anreicherung und Wiederaufbereitung.“ Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen, als werde das unveräußerliche Recht aller Vertragsparteien beeinträchtigt, „(…) die Erforschung, Erzeugung, und Verwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke zu entwickeln“. Mehr noch, ihnen wird dabei internationale Unterstützung zugesichert.

Der Vertrag unterscheidet also zwischen fünf legitimen Nuklearwaffenbesitzern und dem Rest der Mitglieder, die über keine Atomwaffen verfügen. Allerdings beauftragt Artikel 6 die Atomwaffenstaaten „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und internationaler Kontrolle.“

Der NVV fußt somit auf einem Tauschhandel: Die einen versprechen, sich an das Gebot der Nichtverbreitung zu halten, die anderen vollkommen nuklear abzurüsten und wieder Nichtatomwaffenstaaten zu werden. Bei den Überprüfungskonferenzen wird die Frontlinie zwischen den atomar Besitzenden und atomaren Habenichtsen deutlich sichtbar: Fordern die Nuklearwaffenstaaten und ihre Verbündeten strengere Nichtverbreitungsregeln und bessere Überprüfungsmöglichkeiten, so verlangen die anderen, nicht nuklearen Mitglieder regelmäßig verbindliche und weitergehende (Selbst)Verpflichtungen der Nuklearmächte zu nuklearer Abrüstung. Kommt es zu keiner Einigung, scheitern die Überprüfungskonferenzen, wie zum Beispiel unter US-Präsident George W. Bush im Jahre 2005.

Die Teststoppverträge

Mit dem Vertrag über das „Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser“ ist seit 1963 ein multilateraler Vertrag in Kraft, der Atomwaffenversuche verbietet, wenn diese nicht unterirdisch durchgeführt werden. Er wird oft auch als Partieller Teststopp-Vertrag (Partial Test Ban Treaty – PTBT) oder Begrenzter Teststoppvertrag (Limited Test Ban Treaty – LTBT) bezeichnet. Ursprünglich wurde er von Großbritannien, der UdSSR und Russland ausgehandelt. Bis heute sind ihm rund 130 Staaten beigetreten, zehn weitere haben ihn unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert. Wichtige Nichtmitglieder wie China oder Frankreich beachten seine Bestimmungen trotzdem. Die USA und die UdSSR erweiterten dieses partielle Testverbot 1974 durch ein bilaterales Abkommen, das auch unterirdische Atomtests mit mehr als 150 Kilotonnen Sprengkraft untersagte, den sogenannten Threshold Test Ban Treaty (TTBT).

Den 1996 ausgehandelten Umfassenden Teststopp-Vertrag (CTBT – Comprehensive Test Ban Treaty), der auch unterirdische Kernwaffentests vollständig untersagt, haben bis 2017 183 Staaten unterzeichnet und 166 ratifiziert. In Kraft getreten ist er trotzdem noch nicht, da ihn nicht all jene 44 Staaten ratifiziert haben, die dafür 1996 benannt wurden. Mit Indien, Pakistan und Nordkorea sind drei Staaten darunter, die nach 1995 noch Kernwaffentests durchgeführt haben.

Kernwaffenfreie Zonen

Zu den multilateralen nuklearen Rüstungskontrollverträgen zählen auch die Verträge über Kernwaffenfreie Zonen. In all diesen Verträgen verpflichten sich die Vertragsstaaten auf Besitz und Lagerung von Atomwaffen auf ihrem regionalen Hoheitsgebiet zu verzichten. Dem Vertrag von Tlatleloco (Lateinamerika, Karibik) gehören 33 Mitglieder an, dem Vertrag von Roratonga (Südpazifik) 13, dem Vertrag von Bangkok (Südostasien) 10 und dem Vertrag von Semei (Zentralasien) 5 Staaten. Den Vertrag von Pelindaba haben seit 2006 54 afrikanische Staaten unterzeichnet. Er ist in Kraft, die Ratifizierung aber noch nicht in allen Staaten abgeschlossen. Zudem hat sich die Mongolei als Einzelstaat zur Kernwaffenfreien Zone erklärt, die von den Vereinten Nationen anerkannt wurde. Der Antarktisvertrag mit 45 Mitgliedstaaten untersagt eine Stationierung von Kernwaffen in dieser Region. Zudem haben sich die Staaten vertraglich auf ein Verbot der Stationierung von Atomwaffen auf dem Meeresboden geeinigt. Um ihre Unterstützung für die Existenz kernwaffenfreier Zonen zu signalisieren, haben die Kernwaffenstaaten „Negative Sicherheitsgarantien“ abgegeben und zugesichert, gegen das Territorium der Mitglieder dieser Zonen keine Atomwaffen einzusetzen und sie auch nicht mit ihrem Einsatz zu bedrohen.

Bilaterale Verträge zur Begrenzung der Atomwaffenpotentiale

Moskau und Washington bemühen sich seit Ende der 1960er Jahre um eine Einhegung ihres bis dahin ungezügelten nuklearen Rüstungswettlaufs. Nach der Kuba-Krise entwickelten die beiden damaligen Supermächte ein Interesse an Rüstungskontrollvereinbarungen, die den Rüstungswettlauf qualitativ und quantitativ einhegen und das Abschreckungssystem auch in Krisen stabiler machen sollten. Auch wenn beide Staaten aufgrund ihrer asymmetrisch aufgebauten Nuklearpotenziale sehr unterschiedliche Detailinteressen und ihren eigenen Vorteil verfolgten – eine Kompromissfindung mit dem Ziel einer Stabilisierung des Abschreckungssystems auf Basis einer gesicherten gegenseitigen Vernichtungsmöglichkeit lag in beiderseitigem Interesse. Seit der Unterzeichnung des NVV 1968 hatten beide zudem das gemeinsame Bestreben, ihren Abrüstungsverpflichtungen aus dem NVV zumindest so ernsthaft nachzukommen, dass dieser eine weitere Proliferation von Atomwaffen verhindern würde.

ABM und SALT

Im Mai 1972 kam der ABM-Vertrag (Anti-Ballistic-Missile Treaty) zustande, der garantieren sollte, dass beide Supermächte im Sinne der „Abschreckung“ atomar verwundbar blieben. Er erlaubte beiden Vertragsparteien zwei, ab 1974 nur noch ein lokales Raketenabwehrsystem mit maximal 100 Abfangraketen. Damit war die gegenseitige Verwundbarkeit garantiert.

Im selben Jahr wurde mit dem SALT-1 Vertrag (Strategic Arms Limitation Treaty) ein Interimsabkommen unterzeichnet, das die Potenziale an strategischen Trägersystemen (land- und seegestützte ballistische Raketen sowie schwere Bomber) der USA und der UdSSR für fünf Jahre einfror. Das Abkommen verhinderte eine weitere quantitative Aufrüstung und begrenzte die qualitative Verbesserung dieser Potentiale teilweise. Zugleich sollten bald weitere Verhandlungen über einen Vertrag zur Reduzierung der offensiven strategischen Nuklearpotenziale geführt werden.

Da der Teufel wie so oft in den technischen Details steckte, dauerte es sieben Jahre und 130 Gesprächsrunden zwischen den atomaren Kontrahenten USA und UdSSR, bis im Juni 1979 mit demSALT-2 Vertrag ein solches Abkommen unterschriftsreif war. Es erlaubte beiden Atommächten zunächst den Besitz von maximal je 2.400 strategischen Trägersystemen, die bis zum 1. Januar 1982 auf je 2.250 zu reduzieren waren. Obwohl das Abkommen nie in Kraft trat, weil der US-Senat es nicht ratifizierte, hielten beide Seiten dessen Bestimmungen ein.

START

Am 31. Juli 1991, also nach dem Ende des Kalten Krieges, schlossen Moskau und Washington ein Nachfolgeabkommen für SALT, den Strategic Arms Reduction Treaty (START), der deutlichere Reduzierungen ihrer immer noch mehr als jeweils 10.000 Nuklearsprengköpfe festschrieb. START erlaubte beiden Seiten sieben Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages (am 5. Dezember 1994) den Besitz von maximal 1.600 strategischen Trägersystemen und von bis zu 6.000 aktiven, diesen Systemen zugeordneten Sprengköpfen. Zudem enthielt das Abkommen eine Vielzahl zusätzlicher spezifischer Regelungen, unter anderem erstmals solche für gegenseitige Vorort-Inspektionen. Die Laufzeit endete im Dezember 2009.

Noch vor Inkrafttreten des Vertrages wurde am 3. Januar 1993 ein weiterer Nachfolgevertrag unterzeichnet – START II. Darin wurde eine Deaktivierung aller landgestützten Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen vereinbart und die Ende 2002 noch zulässige Zahl zugeordneter aktiver Sprengköpfe auf 3.000 bis 3.500 abgesenkt. Diese Frist wurde 1997 bis Ende 2007 verlängert. Die Ratifizierung des Vertrages durch die USA erfolgte 1996, das russische Parlament stimmte ihm erst 2000 zu. In Kraft trat er dennoch nicht, weil die Duma eine Beibehaltung des ABM-Vertrages zur Vorbedingung gemacht hatte, die USA dieses von Russland als Grundlage des Systems der SALT- und START-Verträge betrachtete Abkommen aber 2002 aufkündigten.

Im Mai 2002 wurde mit dem Strategic Offensive Reductions Treaty (SORT- oder Moskauer Vertrag)trotzdem eine weitere Absenkung der Zahl der zulässigen Sprengköpfe auf strategischen Trägersystemen bis Ende 2012 auf jeweils 1.700 bis 2.200 Sprengköpfe zwischen Russland und den USA vereinbart.

Die Obergrenzen wurde 2010 durch den New START–Vertrag weiter auf je 800 Trägersysteme und 1.550 zugeordnete Sprengköpfe abgesenkt. Der Vertrag trat im Februar 2011 in Kraft und hat eine Laufzeit bis 2020. Ein weiteres Nachfolgeabkommen wird angestrebt.

INF

Einen Sonderfall stellt der 1987 geschlossene INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) dar, mit dem der seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre tobende Streit über die Aufstellung moderner Nuklearwaffen mittlerer und kürzerer Reichweite durch die UdSSR und die USA in Europa beendet wurde. Der Vertrag verbot beiden Ländern die Entwicklung, den Besitz und den Betrieb von landgestützten Atomwaffen mit Reichweiten von 500 bis 5.500 Kilometern, eliminierte also erstmals eine ganze nukleare Waffenkategorie. Eine Besonderheit dieses Vertrages bestand darin, dass mit der Bundesrepublik Deutschland ein nicht nuklearer Staat, der nukleare Trägersysteme besaß, mitwirkte. Ohne selbst Vertragspartei zu werden, verzichtete die Bundesrepublik durch einseitige Erklärung auf 72 Raketen vom Typ Pershing Ia.

BICC 11/2013


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