Die IAEA und ihre Aufgaben
Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO, englisch IAEA, International Atomic Energy Agency) wurde 1957 gegründet. Ihr gehören heute 168 Staaten an (Stand Dezember 2017). Sitz der eigenständigen, wissenschaftlich-technischen Institution ist Wien. Über einen Vertrag mit den Vereinten Nationen (UN, United Nations) ist sie an das System der Organisationen der Vereinten Nationen angebunden. Sie berichtet jährlich an die Generalversammlung und den Sicherheitsrat der UN und kann beide darauf aufmerksam machen, wenn sie eine Gefährdung der internationalen Sicherheit feststellt, die für die UN Anlass zum Eingreifen sein könnte. Satzungmäßige Aufgabe ist es, „den Beitrag der Kernenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand weltweit (zu) beschleunigen und vergrößern“ und die internationale Zusammenarbeit im Blick auf die Anwendung radioaktiver Stoffe zu fördern. Zugleich soll die Organisation sicherstellen, dass der Einsatz der Kerntechnik und von spaltbaren Materialien auf den zivilen Bereich beschränkt bleibt und die zivile Kerntechnik nicht genutzt wird, „um irgendeine militärische Nutzung zu fördern.“
Die Idee zur Gründung der IAEO geht auf eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948 zurück. Ursprünglich wollte man eine Organisation zur zivilen Nutzung der Kernenergie schaffen, die weltweit alle zivilen Atomanlagen besitzen und betreiben sollte. Als dies nicht durchsetzbar war, wurde der Vorschlag gemacht, die IAEO solle wie eine „Bank“ fungieren, bei der sich Staaten nukleares Spaltmaterial für friedliche Zwecke ausleihen könnten. Diesen Ansatz verfolgte zum Beispiel US-Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner „Atoms for Peace-Initiative“ 1953. Aber auch das erwies sich als nicht durchsetzbar. Gegründet wurde die IAEO schließlich als Forum der Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Kerntechnik sowie als Institution, die die nationalen Vorräte spaltbarer Materialien auf dem Territorium ihrer Mitglieder kontrollieren und deren sichere Handhabung und Lagerung fördern sollte. Überwachungsmaßnahmen sollen sicherstellen, dass Spaltmaterial nicht in die falschen Hände gelangt oder für militärische Zwecke missbraucht wird. Die IAEO soll also auch der Weiterverbreitung atomarer Waffen, Materialien und Technologien Einhalt gebieten. Diese zweite Aufgabe erhielt sie verstärkt durch das Inkrafttreten des Nichtverbreitungsvertrages (NVV, Atomwaffensperrvertrag) von 1970, der sie mit dieser Aufgabe betraute.
Organe der IAEO sind die Generalversammlung, der Gouverneursrat mit 35 Mitgliedern und das Sekretariat, geleitet vom Generaldirektor, derzeit dem Japaner Yukiya Amano. Die Arbeit des Sekretariats der IAEO ist in sechs Hauptabteilungen aufgegliedert. Sie umfassen die technische Zusammenarbeit, Kernenergie, die nukleare Sicherheit, Nuklearwissenschaften, Überwachung von Nuklearmaterial und Verwaltung.
Die Förderung der friedlichen Nutzung der Kernenergie obliegt den Hauptabteilungen Kernenergie, Nuklearwissenschaften und Technische Zusammenarbeit. Die erste unterstützt die Mitgliedsstaaten beim Betrieb ihrer kerntechnischen Anlagen des Brennstoffkreislaufs, die zweite bei der Anwendung nuklearer Isotope in den Bereichen Wasser, Energie, Gesundheit, Landwirtschaft und Lebensmittel sowie Biodiversität. Die dritte Abteilung führt konkrete Unterstützungsprojekte wie z.B. Expertenmissionen, Ausbildung oder technische Hilfestellungen durch.
Der Aufgabenbereich nukleare Sicherheit soll einerseits den sicheren, unfallfreien Betrieb nuklearer Anlagen durch technische Kooperation unterstützen und andererseits zu einer Verhinderung der Weiterverbreitung beitragen. Nach den Katastrophen in den Atomkraftwerken Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) hat die IAEO wiederholt betont, dass sie ihre Bemühungen um einen sicheren Betrieb kerntechnischer Anlagen deutlich verstärkt habe.
Der Aufgabenbereich Überwachung soll garantieren, dass aus der zivilen Nutzung der Kerntechnik keine militärische wird. Das heute existierende Überwachungssystem wurde in mehreren Phasen aufgebaut. In der ersten wurde ein Rahmen für die Maßnahmen geschaffen und detaillierte Richtlinien für IAEO-Inspektionen ausgehandelt. Die Übereinkunft über dieses Dokument, Information Circular 153 (INFCIRC 153), wurde 1972 erreicht, zwei Jahre nach Inkrafttreten des NVV. Auf seiner Grundlage wurden Vereinbarungen über Kontrollen zwischen der IAEO und einzelnen Mitgliedstaaten geschlossen. Diese regeln, wann und in welchem Umfang Nichtatomwaffenstaaten verpflichtet sind, die IAEO mit bestimmten Informationen über all ihre nuklearen Anlagen, Materialien und Programme zu versorgen. Sie ermächtigen die IAEO, die Korrektheit dieser Angaben durch Inspektionen zu verifizieren. Urteilt die IAEO, dass Zweifel oder offene Fragen bezüglich des zivilen Charakters des Atomprogramms eines Landes bestehen, so ist sie berechtigt, zusätzliche Untersuchungen durchzuführen, um das Land entweder von dem Verdacht freizusprechen oder dem UN-Sicherheitsrat und der UN-Vollversammlung Probleme bzw. Verstöße zu melden, damit diese über weitergehende Maßnahmen beraten können.
Nach dem Golfkrieg 1991 urteilten Inspektoren der IAEO, dass der Nichtatomwaffenstaat Irak jahrelang ein geheimes Atomwaffenprogramm betrieben habe. Die Aufdeckung des Programms führte zu dem Schluss, dass die existierenden Vereinbarungen über Überwachungsmaßnahmen nicht ausreichend seien, um ein Land davon abzuhalten, ein geheimes Atomwaffenprogramm zu etablieren. Zusätzliche, umfassendere Kontrollmöglichkeiten seien notwendig. Bis 1997 handelten die IAEO-Mitglieder ein freiwilliges Zusatzprotokoll (Model Additional Protocol, INFCIRC 540) über weitergehende Maßnahmen aus. Länder, die dieses Protokoll akzeptieren, ermöglichen es der IAEO unter anderem, zusätzliche und kurzfristige Vorort-Inspektionen durchzuführen und Umweltproben zu nehmen. Sie verpflichten sich auch, die Behörde frühzeitiger und umfassender über neu geplante Atomanlagen in Kenntnis zu setzen und der IAEO zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel Erklärungen über alle Importe und Exporte von Gütern, die auf der Nuclear Suppliers Group Trigger List aufgeführt sind. Im Herbst 2013 war das Zusatzprotokoll für mehr als 130 Länder in Kraft, rund 20 weitere Länder hatten ihren Beitrittswillen bekundet.
Zwei Sonderfälle sind zu beachten: Während die nicht nuklearen Mitgliedstaaten des NVV all ihre nuklearen Anlagen und Materialen gegenüber der IAEO deklarieren und für Kontrollen öffnen müssen, gilt dies für Nuklearwaffenstaaten nur für die Anlagen und Materialien, die diese freiwillig den Überwachungsmaßnahmen der IAEO unterwerfen. Indien, Pakistan und Israel, die Mitglied der IAEO aber nicht des NVV sind, nehmen für sich in Anspruch, genauso verfahren zu dürfen.
Für die Länder der 1957 gegründeten und seither immer wieder erweiterten Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM, in der es eigene Überwachungsmechanismen für Nuklearmaterialien und nukleare Anlagen gibt, regelt ein Abkommen zwischen der IAEO, EURATOM und den nicht nuklearen Mitgliedern von EURATOM, dass die Überwachungsmaßnahmen von EURATOM jene der IAEO ersetzen und somit den IAEO-Überwachungsmaßnahmen Genüge getan ist. Dies ist möglich, da der NVV von seinen nicht nuklearen Mitgliedern entweder ein nationales Überwachungsübereinkommen „oder eines zusammen mit anderen Staaten“ fordert. EURATOM stellt somit ein anerkanntes regionales Überwachungsregime dar, in dem sich dessen Mitglieder untereinander selbst kontrollieren.
Das Zusatzprotokoll ist von besonderem Wert, wenn ein Land unter dem Verdacht steht, seine Verpflichtungen aus dem NVV oder den Überwachungsmaßnahmen zu verletzen, wie dies beim Iran seit 2003 der Fall ist. Der IAEO kommt also im Blick auf Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung bei atomaren Waffen eine zentrale Rolle zu.
Obwohl die Überwachungsmaßnahmen der IAEO immer wieder kritisiert wurden, weil sie kostspielig, zeitraubend und unzureichend seien, sind sie offensichtlich wesentlich wirksamer als die Kritiker behaupten. Im Irak haben Inspektoren das irakische Atomprogramm aufgedeckt. Sie kamen im Vorfeld des Irak-Krieges 2003 auch zu dem richtigen Schluss, dass es nicht wiederaufgenommen worden sei.
Die IAEO steht allerdings vor einem Dilemma. Sie soll einerseits für die friedliche Nutzung der Kerntechnik werben und eine möglichst sichere Anwendung dieser Technologie fördern und ermöglichen. Andererseits soll sie deren militärische Anwendung unterbinden. Da die zivile und die militärische Nutzung der Kerntechnik aber sehr eng miteinander verbunden sind, wirkt diese Aufgabenstellung wie die Quadratur eines Kreises.
Quellen und weiterführende Informationen
- IAEO at work 2013 Edition
BICC 11/2013