Möglichkeiten und Grenzen der Überwachung von Rüstungskontrollabkommen

In Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen sind zwischen den Unterzeichnerstaaten oft – aber nicht immer – Bestimmungen darüber enthalten, wie die Umsetzung und Einhaltung der Verträge überwacht werden kann. Die Verifikations-(Überwachungs-) Regime hängen von den Zielen der jeweiligen Verträge, ihren Gegenständen (z. B. Waffenarten) und den Beziehungen zwischen den beteiligten Staaten ab. Generelle Ziele sind dabei, vor Vertragsverstößen abzuschrecken, sie rechtzeitig festzustellen, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, sowie Vertrauen untereinander herzustellen. Wie viel Verifikation jeweils „genug“ ist, hängt letztlich von den politischen Einschätzungen der Staaten ab. Denn eine 100-prozentige Gewähr dafür, dass Vertragsverstöße nicht stattfinden oder durch Verifikationsmaßnahmen entdeckt werden, ist in der Regel unmöglich.

Methoden und Technologien zur Überwachung

Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Überwachungsmethoden:

  1. Nationale technische Mittel, deren legaler Einsatz nicht von der Zustimmung des Landes abhängig ist, das zu überwachen ist. In der Regel besitzen nur die technologisch und militärtechnologisch weit fortgeschrittenen Staaten solche Möglichkeiten. Die dafür verwendeten Technologien entwickelten sich ab Ende der 1950er Jahre rasant. Zu ihnen gehören vor allem Satellitenaufnahmen, Messungen von Erdstößen und radiologischer Strahlung (zum Beispiel um Atomwaffentests festzustellen), Radaraufnahmen sowie Aufnahme und Auswertung von Kommunikationssignalen.

  2. Kooperative von den Vertragsparteien vereinbarte Mittel. Diese können sowohl die permanente technische Überwachung bestimmter Einrichtungen, z. B. von Atomanlagen, als auch regelmäßige oder außerordentliche Vor-Ort-Inspektionen beinhalten. Außer Inspektionen mit Kontrollpersonal vor Ort können solche Inspektionen auch aus der Luft vorgenommen werden. Dann haben Flugzeuge das Recht, nach Anmeldung das Territorium eines anderen Staates zu überfliegen und Fotoaufnahmen aus der Luft zu machen.

Oft sehen Abrüstungs- und Rüstungskontrollvereinbarungen auch vor, dass die Vertragsstaaten eigenständig in regelmäßigen Abständen bestimmte Daten über das Ausmaß ihrer Rüstung bzw. Abrüstung vorlegen. Diese Daten sind dann Grundlage für eine Verifikation durch nationale Mittel und/oder Vor-Ort-Inspektionen.

Wie viel Überwachung ist ausreichend?

Bei jedem Rüstungskontroll- und Abrüstungsvertrag ist konkret von den Vertragsparteien zu entscheiden, wie viel an Verifikationsmechanismen sie für ausreichend halten. Dies hängt nicht nur von den jeweiligen technischen Möglichkeiten ab, sondern auch von militärischen Strategien, der Einschätzung von möglichen militärischen Nachteilen durch die Offenlegung sowie der Beurteilung potenzieller wirtschaftlicher Nachteile durch Vor-Ort-Inspektionen zum Beispiel in Produktionsstätten.

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen enthielten die wenigen Rüstungs- und Abrüstungsverträge kaum Bestimmungen über Überwachungsmaßnahmen. Vertragsverstöße wurden deshalb erst spät erkannt. Mit der Zuspitzung der internationalen Konflikte, insbesondere der Aufrüstung des nationalsozialistischen Deutschlands und Japans, fielen die Abkommen in sich zusammen. Nach 1945 lehnte die Sowjetunion lange Vor-Ort-Inspektionen ab, weil sie Spionage befürchtete, und behinderte damit Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge. Erst mit dem technologischen Fortschritt und der Entwicklung von Überwachungskapazitäten durch Satelliten und Radare – also nationale technische Mittel – wurden erste Verträge möglich, zum Beispiel 1963 das Verbot von Atomwaffentests zu Wasser, in der Luft und in der Atmosphäre. Im Zuge der Entspannungspolitik zwischen USA und Sowjetunion in den 1970er Jahren gelang es auch, kooperativere Überwachungselemente in die Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge der atomaren Supermächte einzuführen.

Überwachung – Beispiele aus Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen

Die Überwachungsbestimmungen in den verschiedenen Verträgen unterscheiden sich stark voneinander. Im „Antarktisvertrag“ von 1961, der die militärische Nutzung der Antarktis verbot, und im „Weltraumvertrag“ von 1967, der u. a. die Errichtung von militärischen Stützpunkten und Übungen auf dem Mond und anderen Himmelskörpern untersagte, ist die Bestimmung enthalten, dass Vertragsteilnehmer jederzeit Installationen in diesen Gebieten inspizieren dürfen. Allerdings ging bei Abschluss dieser Verträge niemand davon aus, dass die Antarktis oder der Mond von strategischer militärischer Bedeutung sein könnten.

Die Biowaffen-Konvention von 1971, die die Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer Waffen verbot und die Vernichtung solcher Waffen verlangte, und die „Ottawa-Konvention“ von 1997, mit der Einsatz, Produktion, Lagerung und Weitergabe von Anti-Personen-Minen untersagt wurden, sehen keinerlei Verifikationsmechanismen vor. Bei der Biowaffenkonvention wird ein Überprüfungsregime vor allem von den USA abgelehnt.

Hingegen wird das „Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen“ von 1992 von einer eigens zu seiner Überwachung eingerichteten internationalen Behörde kontrolliert. Diese „Organisation für das Verbot von Chemiewaffen“ mit 500 Mitarbeitern erhielt 2013 für ihre Arbeit den Friedensnobelpreis.

Das umfangreichste Überwachungssystem enthält der Atomwaffensperrvertrag von 1967. Demnach hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) seit 1970 die Aufgabe und das Recht, alle deklarierten Anlagen derjenigen Vertragsstaaten, die keine Atomwaffen besitzen, routinemäßig zu beobachten und zu kontrollieren. So soll festgestellt werden, ob Nuklearmaterial für militärische Zwecke abgezweigt wird. Die IAEO hat über 2300 Mitarbeiter und führt jährlich über 2500 Vor-Ort-Inspektionen in Nuklearanlagen durch. Diese Inspektionsrechte erwiesen sich aber als unzureichend. Zum Beispiel hat Irak vor 1991 heimlich ein Nuklearwaffenprogramm betrieben, das die IAEO nicht bemerkt hatte. Daraufhin erarbeitete die IAEO ein sogenanntes „Zusätzliches Protokoll“ – ein Abkommen, das verschärfte und auch unangemeldete Inspektionen vorsieht. Allerdings haben über 30 der 159 Mitgliedstaaten des Atomwaffensperrvertrages es bisher nicht unterschrieben (u. a. Argentinien, Ägypten, Brasilien) oder ratifiziert (u. a. Iran).

Die meisten bilateralen Abkommen zwischen den USA und Russland über die Reduzierung Strategischer Atomwaffen enthalten umfangreiche Verifikationsregelungen. Diese umfassen nationale Mittel, Deklarationen und Vor-Ort-Inspektionen. Streit über die Einhaltung der Verträge gab es jedoch vor allem in Zeiten des Kalten Krieges immer wieder.

Auch der Vertrag über „Konventionelle Streitkräfte in Europa“ von 1990 zwischen den damaligen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes und der NATO sieht detaillierte Kontrollregelungen vor. Ziel des Vertrages war es durch eine Reduzierung von schweren konventionellen Waffensystemen (Panzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge und Angriffshubschrauber) die Fähigkeit zu umfassenden und überraschenden Angriffsoperationen in Europa zu beseitigen. Neben Informationsaustausch und nationalen Mitteln legte er auch zahlreiche Vor-Ort-Inspektionen fest. Seit Russland 2007 die Implementierung des Vertrages einseitig ausgesetzt hat, sind diese allerdings gegenüber Russland nicht mehr in Kraft.

Probleme der Überwachungsregelungen

Es hängt von der Waffenart ab, inwieweit eine vollständige oder nahezu vollständige Kontrolle technisch möglich, kostenmäßig sinnvoll und politisch gewollt ist.

Waffenarten, die umfangreiche Großtechnologien oder aufwändige Tests erfordern, sind durch Satelliten, Radare und andere technische Mittel verhältnismäßig einfach zu kontrollieren. Hierzu gehören zum Beispiel Urananreicherungsanlagen und atomare Wiederaufbereitungsanlagen, um waffenfähiges Spaltmaterial für Atombomben herzustellen, oder Langstreckenraketen und Atomwaffen. Hingegen sind die Möglichkeiten, heimlich Waffen zu entwickeln, die relativ klein sind (wie Kleinwaffen, Minen etc.) oder die nur kleine Anlagen benötigen (Biowaffen, chemische Waffen in kleinen Mengen) weit schwerer zu überprüfen. Auch die kritische Öffentlichkeit in den jeweiligen Ländern sowie Vor-Ort-Inspektionen in Verdachtsfällen können nicht jeden Vertragsverstoß zeitnah aufdecken, den Staaten betreiben, die bewusst einen Vertragsbruch anstreben.

Ein grundlegendes Problem ist, dass nur die Staaten an die Bestimmungen der Rüstungskontroll- und Abrüstungsabkommen - und damit auch an deren Überwachungsregime - gebunden sind, die diese Verträge unterschrieben und ratifiziert haben. Dem Atomwaffensperrvertrag zum Beispiel gehören weder Indien, noch Pakistan oder Israel an – und alle drei haben Atomwaffen entwickelt. Dem Vertrag zum Verbot der Chemiewaffen sind unter anderem Ägypten, Israel und Nordkorea bisher nicht beigetreten. Syrien ist erst seit 2013 Mitglied. Diese Länder besitzen Chemiewaffen bzw. stehen unter Verdacht sie zu besitzen.

Auch enthält jeder Vertrag eine Kündigungsklausel. Von dieser Möglichkeit hat Nordkorea im Falle des Atomwaffensperrvertrages Gebrauch gemacht und damit die Inspektion seiner Atomanlagen durch die IAEO beendet. Die USA haben 2002 unter Präsident George W. Bush den Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen („Anti Ballistic Missiles Treaty“ – ABM-Vertrag) zwischen Amerika und der Sowjetunion/Russland gekündigt, um ungehindert Raketenabwehrwaffen entwickeln und stationieren zu können.

Da eine 100-prozentige Gewähr, dass Vertragsverstöße durch die Verifikationsregelungen bei Rüstungskontroll- und Abrüstungsabkommen entdeckt werden, oft nicht oder nur zu unangemessen hohen Kosten möglich ist, sind Überprüfungsmechanismen auch immer eine Frage der politischen Bewertung. Deshalb sind Fragen der Verifikation des Öfteren auch innenpolitische Streitpunkte. So haben Gegner von Rüstungskontrolle in den USA die Forderung nach scharfen Überwachungsmechanismen auch genutzt, um Verträge zu torpedieren.

Die Behauptung, dass ein vollständiges Verbot von Atomtests nicht überprüfbar sei, war ein wichtiges Argument, mit dem die Mehrheit des US-Senats 1999 die Ratifizierung des Vertrages über einen umfassenden Atomteststoppvertrag ablehnte. Inzwischen hat die provisorisch arbeitende „Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen“ 273 Stationen auf der Welt aufgebaut, die seismische, hydroakustische, Infrarot- und radioaktive Messungen vornehmen und damit in der Lage sind, weltweit jeden Atomtest nachzuweisen. Doch noch immer hat der US-Senat – ebenso wie China, Ägypten, Iran und Israel – den Vertrag nicht ratifiziert. Indien, Nordkorea und Pakistan haben ihn nicht einmal unterschrieben. Verifikationsprobleme können auch vorgeschoben sein, um andere Motive, zum Beispiel die Ablehnung nuklearer Abrüstung, zu überdecken.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2013


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