Das Internationale Waffenhandelsabkommen (ATT)
Der internationale Waffenhandel wird nur teilweise und durch einzelne Verträge reguliert. Dazu gehört beispielsweise das Ottawa-Protokoll von 1997 zum Handel mit Landminen. Zu nennen ist auch die Konvention über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen von 1980, die Waffen verbietet, welche unterschiedslos wirken oder besonderes Leiden verursachen (z.B. Brandwaffen oder blindmachende Laserwaffen).
Ein rechtlich verbindliches Dokument, das sich umfassend mit dem globalen Handel mit konventionellen Waffen (z.B. Kampfpanzern und -flugzeugen oder Kleinwaffen) befasst, wurde im Juli 2012 bei einer globalen Konferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen auf den Weg gebracht, die jedoch ergebnislos endete. Erst am 2. April 2013 beschloss die UN Generalversammlung das Internationale Waffenhandelsabkommen (eng. Arms Trade Treaty - ATT) (Resolution der Generalversammlung: A/RES/67/234 B) anzunehmen. Eine überwältigende Mehrheit von 154 Staaten stimmte bei drei Gegenstimmen und 23 Enthaltungen für den ATT.
Die Idee eines Internationalen Waffenhandelsabkommen stammt aus der Mitte der 1990er Jahre, als eine Gruppe von Friedensnobelpreisträgern um den Costa Ricaner Oscar Arias Sánchez für einen verantwortungsvolleren Waffenhandel eintrat. Damit begann ein langer Verhandlungsprozess, der von Anfang an von Nichtregierungsorganisationen unterstützt wurde, parallel aber auch auf politischer Ebene fortschritt.
Im Jahr 2006 griffen die Vereinten Nationen die Arias Sánchez-Initiative auf. Die entsprechende Resolution 61/89 erhielt insgesamt 153 Ja-Stimmen bei 24 Enthaltungen und einer Gegenstimme. Diese stammte von den Vereinigten Staaten, die aus verschiedenen Gründen sehr zurückhaltend in Bezug auf eine Einschränkung des Waffenhandels sind. Eine Rolle spielt hierbei der zweite Verfassungszusatz (Second Amendment) der Verfassung der USA, der nach allgemein verbreiteter Lesart jedem US-Amerikaner das Recht gibt Waffen zu tragen. Unter Präsident Barack Obama änderte die Regierung im Jahr 2008 jedoch ihre Haltung und stimmte Verhandlungen über den ATT zu, sofern sie unter dem Konsensprinzip stattfinden, also faktisch jedes Land ein Vetorecht besitzt.
Eine der wichtigsten Fragen, nämlich welche Arten von Waffen in dem Vertrag reguliert werden sollten, wurde lange hitzig diskutiert. Einige Staaten wollten den Umfang des ATT auf die sieben Kategorien von konventionellen Waffen beschränken, die auch im Register der Vereinten Nationen aufgenommen sind: Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, großkalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Kriegsschiffe sowie Raketen und -werfer. Andere Länder, beispielsweise Deutschland, Italien oder Polen, kritisierten diesen Ansatz als zu eng. Die sogenannte „7+1“-Variante hingegen, welche die sieben Kategorien des UN-Registers sowie Klein- und Leichtwaffen umfasst, wurde von fast allen Staaten bevorzugt. Manche Länder, darunter Österreich, Deutschland und die Niederlande, befürworteten zudem die Aufnahme von Munition in den ATT, blieben damit aber erfolglos. Während der Verhandlungen wurde auch die Aufnahme von Waffeneinzelteilen sowie sogenannten dual-use-Gütern (Unter dual-use-Gütern versteht man solche Güter – Maschinen, Maschinenteile, aber auch Software und Technologie –, die im Sinne eines „doppelten Verwendungszwecks“ prinzipiell sowohl zu zivilen als auch militärischen Zwecken genutzt werden können.) diskutiert, fand aber nicht den Weg in den endgültigen Vertragstext.
Strittig war lange auch, welche Transaktionen vom ATT abgedeckt werden sollten. Es bestand weitgehend Einigkeit darüber, dass der Transfer, d.h. der Export und Import von konventionellen Waffen, reguliert werden muss. Einige Abrüstungsexperten empfahlen allerdings, dass auch Leihgaben und Schenkungen, Reexport, Handel und Technologietransfer geregelt werden sollten. Auch die Lagerung, Produktion, lokale Herstellung und lizenzierte Produktion in Drittstaaten wurden als mögliche Themen des ATT erwähnt. Andere Stimmen warnten jedoch davor, den Inhalt des Vertrags zu sehr aufzublasen und damit der Versuchung zu erliegen, alle Probleme auf einmal lösen zu wollen. Weitgehend Einigkeit herrschte jedoch darüber, dass die nationale Regelung des Waffenrechts nicht Teil des ATT werden sollte. Dies spielte besonders für die Zustimmung der USA eine große Rolle.
Daran knüpft die Frage an, welche Kriterien dem Verbot des Handels mit Waffen zugrunde liegen. Die meisten Staaten waren sich einig, dass diese auf bestehendem internationalen Recht basieren sollten, wie zum Beispiel der Charta der Vereinten Nationen. Vielen Mitgliedsstaaten ist aber auch wichtig, dass ihre Möglichkeiten, Waffen zu legitimen Zwecken wie der Selbstverteidigung zu produzieren, zu exportieren und zu importieren, nicht eingeschränkt werden. Ausdrücklich verboten sind Rüstungsexporte laut Vertragstext dann, wenn die Regierung des potenziellen Lieferlandes zum Zeitpunkt der Genehmigung des Exports davon Kenntnis hat, dass die Rüstungsgüter von den Empfängern für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen von 1949, für Angriffe gegen zivile Objekte oder geschützte Zivilisten oder für andere Verbrechen eingesetzt würden, die in internationalen Vereinbarungen definiert sind, welche der betroffene Staat unterschrieben hat.
Darüber hinaus wurde diskutiert, in welcher Form internationale Kooperation und Unterstützung in den ATT aufgenommen werden. Denn nach der Beschlussfassung über den ATT stellt die Umsetzung auf nationaler Ebene eine der größten Herausforderungen dar. Deshalb ist es wichtig, dass Staaten mit mehr Erfahrung und Kapazitäten in diesem Bereich jene mit weniger Möglichkeiten dabei unterstützen. Der ATT widmet diesem Thema zwei Artikel. Zudem wurde ein freiwilliger Treuhandfond eingerichtet, über den Staaten internationale Hilfe beantragen können.
Die Zivilgesellschaft wurde nicht zu jedem Zeitpunkt einbezogen, dennoch lässt sich die Verabschiedung des Vertrages unter anderem auf das starke Engagement von Nichtregierungsorganisationen zurückführen.
Da für das Inkrafttreten des ATT mindestens 50 Staaten das Abkommen ratifiziert haben müssen, rechnet man allgemein nicht vor Mitte 2015 damit. Es unwahrscheinlich, dass sich von einem auf den anderen Tag der komplette Waffenhandel ändert, aber mit dem ATT wurde ein wichtiger Schritt getan. Für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wird sich zukünftig wohl nicht viel ändern, da die Regelungen in der EU selbst strenger sind als der ATT vorschreibt.
Quellen und weiterführende Informationen
BICC 11/2013