Verbot ohne Überprüfung - die Biowaffenkonvention (BWK) und ihre Lücken

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm am 16. Dezember 1971 die sogenannte „Biowaffenkonvention“ an. Der volle Titel lautet auf Deutsch: „Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxin Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen“. Zwar hatte schon das „Genfer Protokoll“ von 1925 den Einsatz von biologischen oder chemischen Waffen völkerrechtlich verboten. Doch die Herstellung und Lagerung solcher Waffen war nach wie vor erlaubt. Zudem hatten wichtige Staaten wie die USA das Genfer Protokoll bis dahin nicht unterschrieben, weil sie Pestizide und nicht tödliche chemische Kampfmittel zur Aufstandsbekämpfung nicht als chemische Waffen im Sinne des Genfer Protokolls ansehen wollten.

In den 1960er Jahren nahmen in der UN die Bemühungen um einen speziellen Vertrag zum Verbot von chemischen und biologischen Waffen zu. Hintergrund war auch der Einsatz von „Agent Orange“, einem chemischen Kampfmittel, durch die USA im Vietnamkrieg. Während die Bewegung der nichtpaktgebundenen Staaten sowie die Sowjetunion anstrebten, das Verbot von chemischen und biologischen Waffen in einem einzigen Vertrag oder zumindest gleichzeitig zu regeln, wurde dies von den USA und anderen westlichen Mächten abgelehnt. Vor allem die USA hielten damals an der Auffassung fest, dass chemische Waffen militärisch nützlich sein könnten, während sie den militärischen Nutzen von biologischen Waffen als gering einschätzten und deshalb zu einem separaten Biowaffenvertrag bereit waren.

Als im Frühjahr 1971 die Sowjetunion der Entkoppelung von einem Chemie- und einem Biowaffen-Vertrag zustimmte, war der Weg für die Biowaffenkonvention geebnet. Nach der Verabschiedung durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1971 trat sie am 26. März 1975 in Kraft. Es war der erste internationale Vertrag nach dem zweiten Weltkrieg, der eine ganze Waffenkategorie verbot und ihre Vernichtung vorsah. 2012 waren dieser Konvention 165 Staaten beigetreten. Zwölf weitere Staaten - darunter Ägypten, Syrien, Myanmar, Somalia und Tansania - haben den Vertrag unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Neunzehn weitere Staaten haben die Konvention noch nicht einmal unterschrieben. Darunter sind Israel, einige pazifische Inselstaaten sowie neun afrikanische Länder.

Die wichtigsten Bestimmungen des Vertrages

Die Biowaffenkonvention verbietet allen Vertragsstaaten in Artikel I die Entwicklung, Herstellung, Lagerung oder anderweitige Anschaffung von mikrobiologischen und anderen biologischen Substanzen und Toxinen (natürlichen Gifte von Pflanzen, Pilzen und Tieren) zu militärischen Zwecken. Auch sind Produktion und Besitz von Waffen, Ausrüstungen und Einsatzmitteln, mit denen biologische Kampfstoffe verbreitet werden können, verboten. Die Vertragsstaaten sind laut Artikel II verpflichtet, die in ihrem Besitz befindlichen Biowaffen sowie Trägersysteme zu vernichten.

Der Einsatz von bakteriologischen Waffen wird zwar nicht explizit verboten. Doch die Bestimmungen des Genfer Protokolls von 1925, das die Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege verbietet, werden unterstrichen. Die Konvention von 1971 verpflichtet alle Vertragsstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet eigenständig die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen (Artikel IV). Schließlich wird in Artikel X die internationale Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung von biologischen Substanzen zu friedlichen Zwecken vereinbart.

Die Lücken des Vertrages

Ein Problem der Biowaffenkonvention besteht darin, dass explizit die Arbeit mit biologischen Mikroorganismen und Toxinen, die als Kampfmittel verwendet werden könnten, erlaubt ist, solange sie „durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind“ (Artikel I). Damit wird die Arbeit an Abwehrmitteln gegen Biowaffen ermöglicht, was sowohl die Erforschung vorhandener als auch möglicher zukünftiger Biowaffen meint. Auf diese Weise könnte Abwehrmittelforschung aber auch zur Entwicklung von neuen Biowaffen missbraucht werden. Da aber ein generelles Verbot solcher Forschung oder auch von Forschung an und mit gefährlichen mikrobiologischen Substanzen oder Toxinen weder sinnvoll noch möglich ist, kann einer militärischen Nutzung nur durch Transparenz und Verifikationsmaßnahmen begegnet werden.

Hier liegt aber ein weiteres Grundproblem der Biowaffenkonvention. Denn im Unterschied zu den Verträgen über das Verbot von Chemiewaffen oder Verträgen über atomare Abrüstung sind darin keine Organisation und kein Mechanismus festgelegt, mit dem die Einhaltung des Vertrages kontrolliert werden könnte. Zwar ist in Artikel VI vorgesehen, dass bei Verdacht auf Zuwiderhandlung durch einen Vertragsstaat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angerufen werden soll, der eine Untersuchung durchführen kann. Allerdings wurde von diesem Recht bisher kein Gebrauch gemacht, da solche Nachforschungen von den Veto-Staaten China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA blockiert werden könnten.

Gegenwärtig gehen Experten, darunter auch Gunnar Jeremias, Leiter der Forschungsstelle Biologische Waffen und Rüstungskontrolle am Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg, davon aus, dass in keinem „Land der Welt an der Entwicklung von Biowaffen gearbeitet wird.“ Auch die US-Geheimdienste haben ihre früheren Behauptungen von einer wachsenden Anzahl von Staaten mit Biowaffenprogrammen inzwischen deutlich zurückgenommen, stellt Milton Leitenberg, einer der führenden US-Experten zu Biowaffen von der Universität Maryland, fest. Er kommt zu dem Schluss, dass die Gefahren eines Bioterrorismus als wesentlicher geringer einzuschätzen sind, als man zu Beginn des 21.Jahrhunderts annahm.

Nichtsdestotrotz wäre es sinnvoll die Biowaffenkonvention um einen Kontrollmechanismus zu ergänzen. Denn die Fortschritte der Mikro- und Gentechnologie könnten insbesondere von technisch hoch entwickelten Staaten zukünftig auch zu militärischen Zwecken genutzt werden. Notwendig wäre, dass die Vertragsstaaten sich auf einen Verifikationsmechanismus verständigten, der verpflichtende Überprüfungen von verdächtigen Aktivitäten und Forschungs- bzw. Produktionsstätten ermöglicht.

Diskussion um Verifikationsmechanismus

Bemühungen um einen Verifikationsmechanismus haben bisher nur begrenzte Fortschritte gebracht. Die Überprüfungskonferenzen der Biowaffenkonvention finden in einem Fünfjahresrhythmus statt. 1986 und 1991 haben sie gewisse „vertrauensbildende Maßnahmen“ beschlossen. Diese sehen vor, dass die Vertragsstaaten jährlich freiwillig Informationen über ihre biologischen Aktivitäten in zivilen Forschungs- und Produktionsstätten austauschen, soweit diese für Biowaffen relevant sind. Insbesondere sollen Programme im Zusammenhang mit Forschung an Mitteln gegen bakteriologische Waffen transparent gemacht werden. Doch nur ein Drittel aller Vertragsstaaten macht solche freiwilligen Meldungen.

Seit 2002 wird einmal im Jahr ein Experten- und Staatsvertretertreffen zu verschiedenen Fragen durchgeführt. Diese Meetings zwischen den Überprüfungskonferenzen – die nächste findet 2016 statt - sind reine Diskussionsforen ohne Beschlussrechte.

Auf der Überprüfungskonferenz 2006 einigte man sich auch darauf, eine ständige Arbeitsgruppe, die so genannte Implementierungsunterstützungseinheit („Implementation Support Unit“) bei der Abrüstungsabteilung der Vereinten Nationen einzurichten. Sie besteht aus drei Personen.

Die Einigung auf einen wirklichen Kontrollmechanismen scheiterte 2001 an der Ablehnung durch die damalige US-Administration unter George W. Bush. Deren Haltung war durch die generelle Geringschätzung von Rüstungskontroll-Verträgen und Zweifeln an ihrer zuverlässigen Verifikation geprägt. Darüber hinaus gab es zu dieser Zeit Presseberichte über geheime US-Biowaffen-Abwehrprojekte, in denen auch eine biologische Bombe und genetisch veränderte, stärker wirksame Milzbrand-Bazillen hergestellt werden sollten. Die Bush-Administration wollte, so der US-Rüstungsexperte Seth Brugger, durch ihre Ablehnung von Kontrollmaßnahmen auch „solche Abwehrprojekte vor internationaler Überprüfung schützen.“

Auch die US-Administration von US-Präsident Barack Obama ist – im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit der Vertragsstaaten - dagegen, die Diskussion um ein Verifikationsregime wieder aufzunehmen. Denn auch die derzeitige US-Regierung hält eine effektive Kontrolle der Biowaffenkonvention für nicht möglich.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2013


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