Fallstudie Kleinwaffen in Deutschland
Bei der Kontrolle von Klein- und Leichtwaffen (SALW) in Deutschland wird vom Gesetzgeber in Kriegswaffen auf der einen Seite und allen anderen, wie z.B. Sport- und Jagdwaffen, auf der anderen Seite unterschieden. Zu den Kriegswaffen gehören solche Waffen, die für militärische Zwecke konstruiert und produziert werden, wie z.B. vollautomatische Sturmgewehre. Sie fallen unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. Die Produktion, der Handel und der Gebrauch von Sport- und Jagdwaffen werden hingegen durch das Waffengesetz, das Beschussgesetz und durch ergänzende Verordnungen geregelt. Leichtwaffen spielen im privaten Bereich keine Rolle, da sie prinzipiell dem Militär vorbehalten sind.
Die Gesamtzahl der legalen Schusswaffen in privaten Händen wird auf sechs bis zehn Millionen geschätzt. Genauere Daten konnten bisher nicht ermittelt werden, da es kein zentrales Schusswaffenregister gab. Für die Erteilung und Verwaltung von Lizenzen waren vielmehr die Bundesländer zuständig. In Folge des Amoklaufes von Winnenden im Jahr 2009 wurde jedoch beschlossen, ab 2012 ein Register auf Bundesebene einzurichten. Die geschätzte Zahl für illegale Schusswaffen liegt mit 20 Millionen sehr hoch.
Im Jahr 2010 wurden bundesweit 158 Tötungsdelikte mit Schusswaffen begangen, was einer Rate von 0,2 je 100.000 Einwohnern entspricht. Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit niedrig. In Europa liegt die Rate zwischen 0,0 in Malta und Island sowie 1,8 in Albanien, während sie in den Vereinigten Staaten bei 3,0 liegt¹. Zum Vergleich: die meisten Tötungsdelikte werden relativ zur Bevölkerung in Zentralamerika begangen, wo Honduras mit 68,4 Delikten pro 100.000 Einwohnern an der traurigen Spitze liegt.
In Deutschland ist die Verwendung von Schusswaffen seit 2003 zurückgegangen, mit Ausnahme eines leichten Anstieges 2009. Laut polizeilicher Kriminalitätsstatistik, wurde 2010 insgesamt 7.142 Mal mit einer Schusswaffe gedroht und 5.553 Mal tatsächlich geschossen. Davon entfallen 931 Fälle auf gefährliche und schwere Körperverletzung und 160 auf Raubüberfälle.
Das deutsche Waffenrecht ist im internationalen Vergleich eines der strengsten.
Der Amoklauf von Bad Reichenhall im Jahr 1999, bei dem ein Schüler mit legalen Waffen aus dem Waffenschrank seines Vaters fünf Menschen erschoss, setzte eine öffentliche Diskussion zur Verschärfung der rechtlichen Grundlagen in Gang, die schließlich zu einem neuen Waffengesetz führte, das der Bundestag am 26. April 2002 beschloss - demselben Tag, an dem in Erfurt erneut ein Schüler Amok lief und siebzehn Menschen mit von ihm legal erworbenen Waffen tötete. Es wurden deshalb noch weitere Ergänzungen beschlossen, bevor das Gesetz im April 2003 in Kraft trat. Diese Neuregelung des Waffenrechts ging auch mit der Trennung in Waffen- und Beschussgesetz einher. Während das Waffengesetz allein den Umgang mit Waffen regelt, zielt das Beschussgesetz auf die Prüfung und Zulassung von Waffen sowie darüber hinaus auch Munition und Feuerwerkskörpern ab.
Prinzipiell ist der private Besitz von Feuerwaffen in Deutschland verboten. Wer dennoch eine Waffe erwerben und führen will, muss dies beantragen und dazu bestimmte Kriterien erfüllen. Das zentrale Kriterium für den Umgang mit Waffen ist im deutschen Waffenrecht die Zuverlässigkeit des Antragsstellers. Menschen, die in der Vergangenheit straffällig geworden sind, sind daher vom Erwerb und Gebrauch einer Waffe ausgeschlossen. Zudem muss ein Antragsteller sein Bedürfnis für den Umgang mit einer Waffen nachweisen. Das gilt in erster Linie für Sportschützen, die Mitglied in einem registrierten Schützenverein sind. Darüber hinaus gibt das Waffengesetz Jägern und Brauchtumsschützen die Möglichkeit, Waffen zu erwerben und zu führen. Nach dem Amoklauf von Erfurt wurde beschlossen, das Mindestalter für den Waffenerwerb durch Sportschützen und Jäger von 18 auf 21 Jahre anzuheben und von unter 25-jährigen ein psychologisches Gutachten einzufordern.
Nach dem Amoklauf von Winnenden 2009 richtete sich eine weitere Verschärfung des Waffengesetzes auf die Vorschriften zur Aufbewahrung von Waffen. Das Alter für den Gebrauch von Waffen mit einem Kaliber von 5,6mm und darüber wurde von 14 auf 18 Jahre angehoben. Außerdem wurde es den Behörden ermöglicht, unangekündigte, verdachtsunabhängige Kontrollen bei allen Waffenbesitzern durchzuführen. Diese Neuerung führte bei Waffenbesitzern zu großem Unmut. Seither durchgeführte Kontrollen zeigten jedoch eine Vielzahl von Problemen auf. In Baden-Württemberg stellten die Kontrolleure bei mehr als der Hälfte von 1.200 Kontrollen Verstöße fest.
Experten sind sich allerdings einig, dass ein restriktives Waffengesetz allein Gewalttaten wie Amokläufe nicht verhindern kann. Ebenso wichtig ist es, gegen illegalen Waffenbesitz vorzugehen sowie Kindern und Jugendlichen die gewaltfreie Lösung von Konflikten zu vermitteln.
Klein- und Leichtwaffen werden in Deutschland nicht nur gekauft und benutzt, sondern auch produziert. Der bekannteste und größte Hersteller ist das Unternehmen Heckler & Koch in Oberndorf, das unter anderem das Sturmgewehr G36 vertreibt. Das Unternehmen kam im Jahr 2011 in die Schlagzeilen, als G36-Gewehre in Konfliktgebieten in Mexiko sowie im engeren Umfeld des libyschen Diktators Ghaddafi auftauchten. Auch die deutsche Rheinmetall Defence, ansässig in Kassel, stellt Maschinengewehre, Flugabwehrgeschütze und diverse Munition her. Im letzteren Bereich ist auch das Unternehmen Fritz Werner tätig, das überwiegend Produktionsmaschinen für alle Schritte der Munitionsproduktion herstellt. Das Unternehmen unterhielt aber auch eine eigene Munitionsfabrik.
Die Carl Walther GmbH Sportwaffen fertigt sowohl Sport- als auch reguläre Kleinwaffen her. Die Walter P99-Pistole wird z.B. von Teilen der deutschen Polizei verwendet. Diese GmbH ist Teil der UMAREX Gruppe, zu der auch der Sportwaffenhersteller UMAREX Sportwaffen GmbH & Co. KG gehört. Ein weiterer in Deutschland ansässiger Sportwaffenhersteller ist die Feinwerkbau Westinger & Altenburger GmbH, die wie Heckler & Koch im schwäbischen Oberndorf beheimatet ist.
Im Bereich der Jagdwaffen ist zum einen die Traditionsfirma Mauser zu nennen. In der Vergangenheit stellte die Firma auch Kriegswaffen her, verkaufte die Sparte jedoch im Jahr 2004 an Rheinmetall Defence. Mauser Jagdwaffen ist ebenso wie die weiteren deutschen Jagdwaffenhersteller Sauer & Sohn und Blaser im Besitz der Privatunternehmer Michael Lüke und Thomas Ortmeier.
¹ Die Zahlen stammen aus dem jeweils letzten verfügbaren Jahr. Liechtenstein wurde in Europa außer Acht gelassen, da die geringe Bevölkerungszahl zu großen Schwankungen führt.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2010 (Stand Dezember 2011)
- Das nationale Waffenregister kommt 2012
- Ellerbrock, Dagamer (2011): Generation Browning. Überlegungen zu einem praxeologischen Generationenkonzept; in: Geschichte im Westen, No. 26, pp. 7–34.
- COUNCIL COMMON POSITION 2008/944/CFSP of 8 December 2008 defining common rules governing control of exports of military technology and equipment
- European Union Arms Export Report 2011
- Scholzen, Reinhard (2003): Mehr Sicherheit per Gesetz? Die Genese des Deutschen Waffengesetzes; in: Die Politische Meinung, No. 407, pp. 33-42.
- United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC), Statistics on homicides
Ausgewählte Waffen- und Sportwaffenproduzenten
- Carl Walther GmbH
- Feinwerkbau Westinger & Altenburger GmbH
- Fritz-Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH
- Heckler & Koch GmbH
- J. P. Sauer & Sohn GmbH
- Mauser Jagdwaffen GmbH
- Rheinmetall AG
- Umarex Sportwaffen GmbH & Co. KG
BICC 05/2012