Klein- und Leichtwaffen
Konflikte treten in jeder Gesellschaft auf. Oft werden diese Konflikte gewalttätig ausgetragen, weil sich die Menschen nicht einigen können oder wollen, und oft geschieht dies mit Waffen, die von einer Person benutzt werden können. Und obwohl noch heute Stöcke, Messer und sogar Speere benutzt werden, sind fast immer sogenannte Kleinwaffen, englisch SALW (Small Arms and Light Weapons), dabei im Spiel: Pistolen, Gewehre und ihre Verwandten. Kleinwaffen werden häufig in nicht-staatlichen Konflikten eingesetzt und sind die bevorzugte Waffe sowohl von Kriminellen als auch von politisch motivierten Gruppen. Während moderne Armeen mit vielen modernen Waffen ausgerüstet sind, hat selbst die kleinste und schwächste militärische Streitkraft Kleinwaffen.
Die Definition der Vereinten Nationen von Kleinwaffen/SALW unterscheidet genau genommen zwischen „kleinen“ und „leichten“ Waffen. Zu den „kleinen“ Waffen gehören demnach Revolver und Selbstladepistolen, Karabiner und Gewehre, Sturmgewehre, Maschinenpistolen und leichte Maschinengewehre (alle bedienbar durch eine Person). Eine Faustregel ist: Kleinwaffen haben ein Kaliber (Innendurchmesser des Laufes) von weniger als 12,7 mm. „Leichte“ Waffen sind schwere Maschinengewehre, Granatenwerfer, tragbare Panzer- und Luftabwehrwaffen, rückstoßfreie Gewehre, tragbare Raketenwerfer und Mörser bis zu einem Kaliber von 100mm. Sie können von zwei Personen oder einem Team getragen und einem kleinen Fahrzeug oder einem Packtier transportiert werden und müssen von einer Mannschaft bedient werden. Mit Ausnahme von Granaten, die Waffe und Munition in einem sind, brauchen alle Kleinwaffen Munition. Je größer das Kaliber desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Munition explosiv ist.
Ende des 19. Jahrhunderts begannen Armeen Kleinwaffen in ihrer modernen Form zu nutzen. Zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren alle Armeen mit ihnen ausgerüstet. Auch stieg die Vielfalt an Kleinwaffen: einschüssige Gewehre wurden von Repitierbüchsen abgelöst, die mehrere Kugeln laden und sie hintereinander abfeuern konnten. Diese wurden wiederum durch automatische Schusswaffen abgelöst, bei denen durch einmalige Abzugsbetätigung mehrere Schüsse abgefeuert werden konnten. Maschinengewehre, die mit einem Munitionsgurt ausgerüstet waren, ermöglichten eine hohe Kadenz für einen längeren Zeitraum (ein modernes Maschinengewehr kann bis zu 1200 Schuss in der Minute abfeuern). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden automatische Waffen leichter (nun konnten auch Kinder sie abfeuern) und konnten billiger hergestellt werden.
Die Entwicklung von leichten Waffen brachte viele Waffen hervor, die gelenkte oder ungelenkte Raketen gegen Menschen, gepanzerte Fahrzeuge, Flugzeuge und Befestigungsanlagen abfeuern konnten. Schwere Maschinengewehre wurden auch gegen leichte Fahrzeuge und niedrig fliegende Flugzeuge verwendet.
Das Verifikationszentrum der Bundeswehr (VZBw), Abteilung für Globale Rüstungs- und Proliferationskontrolle, unterscheidet in seinem “Small Arms and Light Weapons Guide“ dreizehn Kleinwaffenkategorien:
Kleinwaffenkategorien (deutsch) |
SALW categories (englisch) |
Selbstladepistolen und –revolver |
Self-loading pistols and revolvers |
Gewehre und Karabiner |
Rifles and carbines |
Maschinenpistolen |
Submachine guns |
Sturmgewehre |
Assault rifles |
Leichte Maschinengewehre |
Light machine guns |
Schwere Maschinengewehre |
Heavy machine guns |
Hand- und lafettierte Granatenabschussgeräte |
Hand-held under-barrel and mounted grenade launchers |
Tragbare Flugabwehrkanonen (FLAK) |
Portable anti-aircraft guns |
Tragbare Panzerabwehrkanone (PAK) |
Portable anti-tank guns (ATG) |
Rückstoßfreie Geschütze |
Recoilless guns/ rifles |
Tragbare Abschussgeräte für Panzerabwehr-Lenkflugkörper/ – raketen |
Portable launcher of anti-tank missile /rocket systems (ATGM or ATGW) |
Tragbare Luftabwehrsysteme |
Man-portable air defense systems (MANPADS) |
Tragbare Mörser mit weniger als 100mm Kaliber. |
Portable mortars of calibers less than 100mm |
Schätzungen zufolge zirkulieren zwischen 600 und 800 Millionen Kleinwaffen auf der Welt. Keiner weiß dies sicher, weil Hersteller nicht immer genau Bericht erstatten und viele Regierungen die Zahlen ihrer eigenen und der von ihnen exportierten Kleinwaffen geheim halten. Nur wenige staatliche Organe oder andere bewaffnete Gruppen berichten genau über die Anzahl der Schusswaffen, die verloren gehen, gestohlen werden oder nicht mehr funktionsfähig sind.
Aufgrund der Massenanfertigung und fehlender Gesetzgebung in vielen Ländern geraten auch viele militärische Waffen in die Hände von Zivilisten. Kriminelle verfügen über ihre eigenen Waffenarsenale. In manchen Ländern ist zu beobachten, dass sich Zivilisten mit Kleinwaffen ausstatten, um sich vor Kriminellen und vor außer Kontrolle geratenen Soldaten zu schützen.
Zivile Kleinwaffen werden zur Jagd, Selbstverteidigung und zum Sport hergestellt. Ihr Einsatz ist im Allgemeinen durch Gesetze reglementiert. Jedoch gibt es sehr viele Länder, in denen diese Gesetzgebung mehr schlecht als recht befolgt wird.
Weltweite Gesetze und Vereinbarungen
Der Beginn des 21. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch drei wichtige Entwicklungen
* Hohe Verbreitung von SALW in der ganzen Welt, insbesondere in fragilen und zu Konflikten neigenden Ländern. Dies geht einher mit einer steigenden Opferzahl.
* Immer mehr Staaten stellen hochentwickelte militärische SALW her und exportieren diese in andere Länder.
* Vor diesem kritischen Hintergrund hat die Internationale Gemeinschaft eine Reihe von Vereinbarungen, UN-Protokolle, regionale Konventionen und anderen Maßnahmen beschlossen, um die Nutzung und den Handel von SALW zu beschränken, ihre Kennzeichnung zu regulieren und Ländern zu helfen, Waffen aus illegalen Aktivitäten zurückzuverfolgen.
Die Vereinten Nationen veröffentlichen derzeit einer Reihe von Standards, die sowohl die Lagerung und das Management von Kleinwaffen, als auch ihre Einsammlung und Vernichtung sowie darüber hinaus u.a. auch ihre Lizenzierung betreffen. Mit Hilfe dieser Richtlinien können Staaten ihre eigenen rechtlichen Standards entwickeln.
Die meisten UN-Mitgliedsstaaten haben das Kleinwaffenprogramm der Vereinten Nationen (UN Programme of Action on the Illicit Trade in SALW in All its Aspects – UN PoA) unterzeichnet, das 2001 veröffentlicht wurde. Es verlangt von jedem Staat, jährlich über seinen Bestand an Kleinwaffen zu berichten. Im Jahr 2006 haben sich die UN-Mitgliedsstaaten über das Internationalen Rechtsinstrument zur Ermöglichung der rechtzeitigen und zuverlässigen Identifikation und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen und leichter Waffen durch die Staaten geeinigt.
Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) hat 2008 die ECOWAS Konvention verabschiedet, durch die Mitgliedsstaaten weitgehend verpflichtet werden, weder Kleinwaffen zu produzieren noch zu importieren - andere Regionen könnten dem Beispiel bald nachfolgen.
Die Vereinten Nationen werden wohl im Sommer 2012 über einen Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty, ATT) abstimmen, der den Handel mit Waffen, incl. SALW, weiter beschränken soll. All diese rechtlichen und diplomatischen Instrumente sollen helfen den Schaden, der durch verantwortungslose und illegale Verwendung von Kleinwaffen entstanden ist, zu begrenzen.
Quellen und weiterführende Informationen
- Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit – GTZ (2001): Die Kleinwaffenproblematik in Entwicklungsländern
- BICC - Bonn International Center for Conversion. 2007: TRESA - Training and Education on Small Arms - Module
- Paes, Wolf-Christian (2002): Kleinwaffen – Eine Bedrohung für die „dritte Welt“. Hrsg.: Bischöfliches Hilfswerk Misereor e.V.
- Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (Hrsg.) (2011): Small Arms and Light Weapons Guide.