Umweltsicherheit

Der Globale Umweltwandel wird auch heute immer noch vor allem durch die Ausbreitung bzw. Intensivierung der nicht-nachhaltigen Nutzung fossiler Energieträger angetrieben. Heute haben jedoch die ehemals eher nachgeordneten Prozesse der Globalisierung und ihrer Folgen einen vergleichbar hohen Stellenwert für den anhaltenden Umweltwandel. Unverändert geblieben ist die Tatsache, dass der Mensch die Eigenschaften der Umweltsysteme um ein vielfaches stärker beeinflusst, als dies durch die den Systemen innewohnenden natürlichen Schwankungen geschieht.

Umweltsicherheit oder Ökologische Sicherheit, im Englischen „Environmental Security“, ist ein Sicherheitsbegriff, der im Zuge der Erweiterung des klassischen, eng gefassten Sicherheitsbegriffes und der einsetzenden Diskussion über den Umweltwandel in den 1980er Jahren aufkam. In der seit den 1990er Jahren aufgekommenen Diskussion über Menschliche Sicherheit hat sich das Konzept der Umweltsicherheit verstetigt. Es versucht mögliche Zusammenhänge zwischen dem menschlich bedingten Umweltwandel und daraus ableitbaren Sicherheitsbedrohungen zu beschreiben.

Ausgelöst bzw. befördert wurde dieser Prozess unter anderem auch durch die Umweltkatastrophen der 1980er und 1990er Jahre wie beispielsweise die katastrophalen Dürren und die sich ausbreitende Desertifikation (Wüstenbildung) in der Sahelregion, das Phänomen des Sauren Regens und Waldsterbens in Mitteleuropa oder etwa die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Diese Ereignisse sensibilisierten Bevölkerung, Politik und Wissenschaft für das Phänomen der Umweltdegradation. Die Erkenntnis, dass Umweltwandel negative Auswirkungen auf das Wohlergehen des Menschen hat und somit auch eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen kann, führte im Weiteren zu der Annahme, dass diese ebenfalls eine Rolle in (Gewalt)Konflikten spielen oder zukünftig spielen können.

In der Folge haben sich in den 90er Jahren mehrere umfassende Forschungsprojekte der Thematik „Kriegsursache Umweltzerstörung“ (so der Titel des Abschlussberichtes eines Vorhabens) gewidmet.

Seither gibt es eine fest etablierte Forschungsrichtung zu Umweltkonflikten und zu „ökologischer Sicherheit“, die die Bedeutung von Umweltwandel und Umweltdegradation aus verschiedenen Blickwinkeln thematisiert und untersucht.

Eindeutige und anerkannte Definitionen von Umweltsicherheit oder Ökologischer Sicherheit jedoch existieren kaum. Vielmehr wurden und werden auch heute noch Versuche unternommen, Umweltkonflikt zu definieren. Eine der wenigen Versuche Umweltsicherheit/Ökologische Sicherheit zu erklären, stammt von Görrissen (1990/91). Dieser versteht unter Umweltsicherheit die Abwesenheit von und den Schutz vor extremen Umweltbelastungen und umweltschädigenden Einflüssen: „Ein Zustand ökologischer Unsicherheit ist danach gegeben, wenn umweltschädigende Einflüsse bzw. Umweltbelastungen, deren Ursprung innerhalb eines politischen Systems liegt, über dessen Grenzen hinaus wirken und ökologische (…) Wirkungen auf oder in einem anderen politischen System hervorrufen“ (Görrissen, 1990/91:397).

Dieser Definitionsversuch wurde später erweitert und floss in die späteren, verschiedenen Ansätze mit ein, Umweltkonflikte zu definieren.

Im Rahmen der mehrjährigen Schweizer Studie Environment and Conflicts Project (ENCOP) wurde über Definitionen bzw. Charakteristika von Umweltkonflikten diskutiert und ein analytischer Rahmen für die nachfolgenden Debatten entwickelt. Zunächst war es wichtig Ressourcenkonflikte von Umweltkonflikten abzugrenzen. Während es bei Ressourcenkonflikten um den Zugang oder die Verteilung von nicht-erneuerbaren Ressourcen, wie beispielsweise Mineralien oder Rohöl geht, so geht es bei Umweltkonflikten um die Degradation von erneuerbaren, natürlichen Ressourcen im Sinne von Ökosystemdienstleistungen (Wasser, Land, Wald, Vegetation). Der Begriff der Umweltdegradation - vom Menschen gemachter Umweltwandel mit negativen Folgen für die Gesellschaft - ist hierbei entscheidend.

Während natürliche, nicht-erneuerbare Ressourcen verbraucht bzw. erschöpft werden können, sind die erneuerbaren Ressourcen in ökologische Stoffkreisläufe eingebunden und können degradiert aber nicht verbraucht werden. Darauf aufbauend definiert Libiszewski (1992) Umweltkonflikte als Konflikte, die durch ökologische Knappheit einer erneuerbaren Ressource ausgelöst werden. Ökologische Knappheit (eng. environmental scarcity) meint dabei eine von Menschen gemachte Störung bzw. Beeinträchtigung, die in Folge von Übernutzung, Überbeanspruchung oder Verschmutzung einer erneuerbaren Ressource entsteht. Als weiterer ökologischer Faktor wird in der Literatur Umweltzerstörung genannt. Aufgrund des engen Zusammenhanges zwischen ökologischer Knappheit und Umweltzerstörung werden diese beiden Konzepte oftmals unter dem Begriff Umweltstress zusammengefasst (Carius/Imbusch 1998).

Zur Beantwortung der durchaus komplexen Frage nach der Kausalitätsbeziehung zwischen Umweltdegradation und gewaltsamen Konflikten greift Libiszewski (1992) auf Überlegungen des kanadischen Friedensforscher Homer-Dixon zurück, der am internationalen Forschungsprojekt „Environmental Change and Acute Conflict“ beteiligt war. Da Konflikte soziale und keine natürlichen Phänomene sind, führt ökologische Degradierung nicht automatisch zu Konflikten. Homer-Dixon (1992) entwickelte in diesem Zusammenhang einen analytischen Rahmen über die Wechselwirkungen zwischen Mensch, Umwelt und Konflikten. Entscheidend sind hierbei die sozialen Effekte ökologischer Degradierung, die das Produkt der Gesamtbevölkerung und ihren ökonomischen Aktivitäten pro Kopf, sowie der Vulnerabilität eines Ökosystems sind. Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass bei der Analyse dieser Effekte stets der sozioökonomische und politische Kontext berücksichtigt werden muss.

Abschließend zu diesem ersten Definitionsversuch ist darauf hinzuweisen, dass Umweltdegradation lediglich einen einzelnen Faktor in einem komplexen Netz aus von Ursachen darstellt, was Libiszewski (1992) mit dem Begriff „induziert“ zum Ausdruck bringt („Ökologische Konflikte sind durch ökologische Degradierung induzierte Konflikte“).

Umweltkonflikte, umweltbedingte oder umweltinduzierte Konflikte spiegeln folglich kritische Gesellschaftszustände wider. Umweltveränderungen sind gleichzeitig Ursachen für sozioökonomische Probleme, werden jedoch andererseits durch diese hervorgerufen bzw. verstärkt. Negative Umweltveränderungen, wie beispielsweise die Zerstörung der Bodenvegetation oder auch die Verknappung von Süßwasserressourcen, sind auf anthropogene Prozesse zurückzuführen und sind Ergebnis von nicht-nachhaltigen, ressourcenintensiven Konsummustern und Wirtschaftsweisen (Carius/Imbusch 1998).

Zur Frage, welche Regionen der Erde besonders anfällig für umweltinduzierte Konflikte sind, lieferten die beiden bereits oben erwähnten Forschungsstudien erste empirische Daten. Es wurde diesbezüglich unter anderem die These aufgestellt, dass diese Art von Konflikten vornehmlich in den Ländern des Globalen Südens sowie in Transformationsgesellschaften auftreten, da diese nur über geringe Problemlösungs-kapazitäten verfügen. Als Beispiel wurden sogenannte sozioökologische Krisengebiete in ariden und semi-ariden Ökoregionen, in Regionen mit geteilten Wasserressourcen oder von Bergbauvorhaben und Staudämmen degradierte Regionen herangezogen.

Die Studien aus den frühen 90er Jahren zeigten in erster Linie den hohen Grad an Komplexität der Konfliktursachen auf. Fundierte Aussagen über die Rolle von Umweltdegradation als Konfliktursache konnten aufgrund dieser Komplexität und auch aufgrund der mangelhaften empirischen Datenlage nicht getroffen werden.

Das Hauptgutachten „Sicherheitsrisiko Klimawandel“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) aus dem Jahr 2007 stellt die bislang umfassendste und weitreichendste Studie über die beschriebene Thematik dar. Während die Umweltkonfliktforschung bis dato politikwissenschaftlich dominiert war, so verfolgte das WGBU-Gutachten einen stärkeren interdisziplinären Ansatz, um insgesamt 73 Umweltkonflikte zu untersuchen und dabei räumliche Muster zu identifizieren. Zentrale Aussage des Berichts ist es, dass der Klimawandel ohne entschiedenes Gegensteuern die Anpassungsfähigkeit vieler Gesellschaften überfordern wird und in der Folge Gewalt und Destabilisierung verstärkt werden können. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken spricht sich der WBGU für stärkere Klimaschutzbemühungen und ebenso einen Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit aus, um die Resilienz besonders stark betroffener Staaten bzw. Regionen zu stärken. Diesbezüglich wurde u.a. ein Ausbau des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) gefordert (WBGU 2007).

Vor dem Hintergrund der aufflammenden Debatte über Folgen des Klimawandels gewannen Mitte der 2000er Jahre die Fragen über Zusammenhänge von Umwelt und Sicherheit erneut an Bedeutung. Indem das Thema Klimawandel als Sicherheitsproblem gedeutet wurde, erfuhr es einen raschen Aufmerksamkeits- und Bedeutungszuwachs. Abseits der Wissenschaft wurde diese Debatte nun teilweise populistisch geführt, Filme wie The Day After Tomorrow zeichneten apokalyptische Zukunftsszenarien. Nicht weniger alarmierende Stimmen kamen aus der Politik – so verglich die damalige britische Außenministerin Margaret Beckett auf der ersten UN-Sicherheitsratssitzung über Sicherheitsrisiken des Klimawandels im April 2007 den Klimawandel mit einem „heraufziehenden Sturm“ vor dem 2. Weltkrieg und warnte ferner vor den konfliktschürenden Folgen des Klimawandels. Indes äußerten die chinesischen Vertreter Zweifel daran, dass der UN-Sicherheitsrat die „professionelle Kompetenz“ zur Behandlung der Klimaproblematik habe. Der Antrag über ein Mandat des Sicherheitsrats für den Klimawandel scheiterte (Scheffran, 2015/181).

Das Thema erhielt folglich international große Aufmerksamkeit auf der politischen Bühne – der Weltklimarat (IPCC), das zentrale zwischenstaatliche Expertengremium für Gründe und Auswirkungen des Klimawandels, erhielt gemeinsam mit dem Umweltschützer und langjährigen Vizepräsidenten der USA, Al Gore, im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen um Aufklärungen über Folgen des Klimawandels. Im für das Treffen der G7-AußenministerInnen 2015 („Gruppe der 7“, informeller Zusammenschluss der ehemals bedeutendsten Industrienationen) veröffentlichten Gutachten „A New Climate For Peace“ (Rüttinger et al., 2015) wird der Klimawandel als „ernste Bedrohung für die globale Sicherheit“ bezeichnet. Unter anderem empfehlen die Autoren des Gutachtens den Aufbau einer „G7-Taskforce“, um Risiken durch den Klimawandel frühzeitig zu identifizieren.

In den letzten Jahren haben sich zunehmend auch militärische Akteure an der Debatte beteiligt, was von Seiten vieler Wissenschaftler äußerst kritisch betrachtet wird. Dalby (2009) befürchtet diesbezüglich, dass die neu entflammten, „alarmierenden“ Diskussionen über Klimawandel und Konflikte die bisherigen Erkenntnisse der Umweltkonfliktforschung vergessen haben, da in den früheren Studien stets darauf hingewiesen wurde, dass militärische Institutionen und Instrumente unangemessen für diese Herausforderungen sind. Im Gegenteil hätten die Studien eher gezeigt, dass Umweltprobleme eher zu Kooperation statt zu Feindseligkeiten führen.

In diesem Zusammenhang wird von Friedens- und KonfliktforscherInnen vor einer Versicherheitlichung der Debatte gewarnt, d.h. vor einer reinen militärpolitischen Behandlung des Themas. Militärische Instrumentarien zur Abwehr von Klimarisiken- und -konflikten wären keinesfalls vorbeugend gar nachhaltig hilfreich, sondern würden die Problematik nachträglich verschlimmern (Scheffran 2015, 185).

Verwendete Literatur und weiterführende Informationen

BICC 12/2015


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