Fallstudie Friedensmissionen im Sudan und Südsudan

Zwischen Nord- und Südsudan herrschte seit der Unabhängigkeit 1956 fast 40 Jahre lang Bürgerkrieg. Es ging um die Forderung südsudanesischer Widerstandskämpfer nach Teilhabe an der politischen Macht und um die Einbeziehung des Südsudan in Entwicklungsinvestitionen, die seit der Kolonialzeit nur auf eine kleine Region im Dreieck zwischen der Hauptstadt Khartum, dem Blauen und dem Weißen Nil begrenzt waren. Seit den 1980er Jahren kam als Kampfziel die Kontrolle über die südsudanesischen Erdölfördergebiete hinzu. Erst Anfang der 2000er Jahre begannen die langwierigen Friedensverhandlungen zwischen der Regierung des Sudan und der Widerstandsbewegung SPLM/A (Sudan People's Liberation Army / Movement) Früchte zu tragen. Allerdings waren andere benachteiligte Regionen und deren gesellschaftliche Vertreter von diesen Verhandlungen, die sich um die Teilung von Macht und Reichtum sowie regionale Autonomie drehten, ausgeschlossen. In Darfur, das ebenso wie der Südsudan wirtschaftlich und politisch stark benachteiligt war, eskalierte in diesem Zusammenhang 2003 der lange schwelende und immer noch anhaltende Gewaltkonflikt zwischen Widerstandsgruppen und der sudanesischen Regierung in Khartum.

2005 schlossen die Regierung des Sudan und die SPLM/A das sogenannte CPA (Comprehensive Peace Agreement) zwischen Nord- und Südsudan, das die Forderungen der SPLA/M nach einer südsudanesischen Regionalregierung, Macht- und Reichtumsteilhabe und einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südsudan nach sechs Jahren beinhaltete vier UN-Friedensmissionen im Sudan.

UNMIS

Überwacht wurde die Umsetzung der Bestimmungen des CPA vertragsgemäß von der Friedensmission UNMIS (United Nations Mission in Sudan, 2005-2011), der einzigen von vier Friedensmissionen im Sudan, die bisher beendet wurde. UNMIS war insofern erfolgreich, als es im Zeitraum ihrer Überwachung nicht zu einem erneuten anhaltenden Kriegsausbruch zwischen Nord- und Südsudan kam. Außerdem hat UNMIS die Volksabstimmung im Südsudan im Januar 2011über eine Abspaltung erfolgreich organisiert und logistisch unterstützt. Dennoch gelang ihr weder der Schutz der Zivilbevölkerung vor Angriffen von bewaffneten Gruppen innerhalb des Südsudan noch die Unterstützung des Aufbaus des südsudanesischen Staates in ausreichendem Maße. Der Staat reicht bei weitem nicht in alle ländlichen Regionen des südsudanesischen Territoriums hinein und ist nicht in der Lage, die Bevölkerung mit grundlegenden Leistungen zu versorgen.

UNAMID

Die UNAMID (United Nations African Union Hybrid Mission in Darfur) besteht seit 2008. Sie löste eine erfolglose Friedensmission der Afrikanischen Union ab, die 2004 eingesetzt worden war und unter fehlenden Mitteln, aber vor allem unter dem Mangel an politischem Willen der kämpfenden Parteien litt, politische Lösungen anstatt militärischen Sieg zu suchen. Das Mandat der UNAMID besteht darin, aktiv in die humanitäre Unterstützung einzugreifen, die Zivilbevölkerung vor Angriffen zu schützen und das Darfur-Friedensabkommen von 2006 zu verwirklichen. Die sudanesische Regierung hatte dieses Abkommen allerdings nur mit einer einzelnen Fraktion einer der Widerstandsgruppen in Darfur geschlossen, was eine Zersplitterung der Kampfgruppen und Konflikte zwischen ihnen auslöste. Die Folge war erhöhte Gewalt, Massenvertreibung und Ermordung zahlreicher Dorfbewohner/innen in Darfur sowie eine zunehmende Vermischung des Kriegsgeschehens mit kriminellem Bandentum. All dies überlagerte die bewaffneten Auseinandersetzungen um Land und Wasser, die die Sahelregion Darfur seit langem erschüttern. Auch Personal der Friedensmission erfuhr Angriffe und Entführungen, Diebstahl von Fahrzeugen und Ausrüstung. UNAMID war vollkommen unzureichend auf diese Umstände vorbereitet. Außerdem erwies sich das Konzept der Hybridmission (UN-AU-Partnerschaft) als schwierig umzusetzen. Die Partner der UN und AU konnten sich nicht auf eine gemeinsame Führung der Mission einigen. Die sudanesische Regierung behinderte UNAMID-Einsätze durch Nachtflugverbote, Zollauflagen und die Verweigerung von Landzuteilungen. Erst 2010 stand UNAMID annähernd in der für 2008 vorgesehenen Stärke in Darfur bereit. Zu der Zeit brach auch die einzige Fraktion, die die Friedensvereinbarung unterzeichnet hatte, das Abkommen und nahm wieder den Kampf gegen die Regierung auf. Nach der Unabhängigkeit des Südsudan stiegen die kriegerischen Aktivitäten zwischen der sudanesischen Armee und den Kampfgruppen Darfurs. Unter diesen Umständen widmet die Mission den überwiegenden Teil ihrer Aktivitäten den Sicherheitsmaßnahmen für die eigenen Ausrüstungsgüter und ihr eigenes Personal sowie für humanitäre Konvois und Vertriebenenlager, anstatt ihre Schutzverantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung wahrzunehmen. Vermittlungsversuche zwischen den Kriegsparteien auf Initiative der UN-AU-Partnerschaft sind bisher gescheitert.

UNMIS und UNAMID blieben also trotz eines robusten Auftrags des UN Sicherheitsrates (Mandats nach Kapitel VII der UN-Charta) weitgehend „zahnlos“. Die Friedensmissionen verharrten überwiegend im Beobachterstatus und verfolgten vor allem zivile und logistische Aktivitäten.

UNIFSA

Die UNIFSA (United Nations Interim Security Force for Abyei) wurde im Juni 2011 an umkämpfte Grenzgebiete zwischen Nord- und Südsudan entsandt und soll dort mit ausschließlich äthiopischen Soldaten die Gewalteskalation und Vertreibung der Zivilbevölkerung eindämmen und die Grenzregion Abyei entmilitarisieren. UNIFSA hat eine Schutzverantwortung für die im Grenzgebiet lebenden Menschen und dort tätigen humanitären Hilfsorganisationen. Seit der Unabhängigkeit des Südsudan haben die Spannungen im Grenzgebiet allerdings weiter zugenommen.

UNMISS

Die UNMISS (United Nations Mission in the Republic of South Sudan) wurde nach der Unabhängigkeit des Südsudan im Juli 2011 eingerichtet, baut auf der Infrastruktur von UNMIS auf und soll ein Jahr lang bestehen, um Frieden und Sicherheit zu festigen und die Grundlagen für Entwicklung zu schaffen. UNMISS zielt wie zuvor UNMIS auf die Stabilisierung des Staates, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Südsudan ab und soll dadurch Sicherheit für die Staatengemeinschaft und die Region herbeiführen.

Schwierige Bedingungen für die UN-Missionen

Der überwiegende Teil der Gesellschaft sowohl im Südsudan als auch in der Republik Sudan ist misstrauisch gegenüber dem Staat. Dies liegt an der Geschichte des Sudan, in der Machthaber die Volksgruppen immer wieder gegeneinander ausgespielt, in die eigenen Taschen gewirtschaftet und einflussreiche Posten mit Günstlingen oder mit ehemaligen Gegnern zwecks deren Ruhigstellung besetzt haben. Die anhaltende entwicklungspolitische Vernachlässigung ländlicher Regionen in beiden Ländern trägt ebenfalls nicht dazu bei, Vertrauen in Staat und Regierung zu erhöhen. Wegen der starken Bevölkerungsbewegungen, schlecht funktionierenden Sicherheitskräften und der leichten Zugänglichkeit von Kleinwaffen entzünden sich im Südsudan heftige Spannungen an Land-, Wasser- und anderen Ressourcenkonflikten und entladen sich in tödlicher Gewalt. Dazu kommt eine neu entfachte Form patriarchalischer Unterdrückung mit tiefen Trennlinien zwischen Geschlechtern und Generationen. Bewaffnete Machtkämpfe zwischen Milizenführern und der SPLA bilden weitere Bedrohungen der Sicherheit.

In der Republik Sudan endeten die sechs Jahre der Machtteilung mit neu aufgeflammten Gewaltkonflikten in den Regionen, die während des Bürgerkrieges unter SPLM/A-Kontrolle gewesen waren. Diese regionalen und die Widerstandsgruppen in Darfur kämpfen zunehmend gegen die Regierung unter Präsident Omar el-Bashir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof wegen seiner Verantwortung für die getöteten Zivilist/innen in Darfur einen Haftbefehl verhängt hat. Solange bewaffnete Widerstandsgruppen Bürgerkrieg als Lösung und Regimewechsel als Ziel ansehen, ist es fraglich, ob UN-Friedensmissionen wirksam tätig werden können. Sie können unter Umständen dazu beitragen, ein sichereres Umfeld zu schaffen und den Raum für politische Lösungen zu öffnen. Im Fall von UNAMID ist dies nicht geschehen. UNMIS war dagegen ein Beispiel dafür, dass erst politische Verhandlungen die Grundlage für eine von beiden Konfliktparteien anerkannte Friedensmission legen konnten.

Quellen und weiterführende Informationen:

  • Grawert, Elke (2011): Sudan: Interventionen light?, in: IFSH/HSFK/BICC/INEF/FEST: Friedensgutachten 2011. Berlin: Lit: 223-234.
  • Mission UNAMID
  • Mission UNMIS
  • Mission UNMISS
  • Mission UNISFA
  • Prunier, Gérard (2010): Rwanda and Darfur: A Comparative Approach to Two Peacekeeping Failures, in: Journal of International Peacekeeping 14: 117-133.

BICC 11/2011


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