Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (DD&R)

Nachdem ein Krieg zu Ende gegangen ist, hilft oft die internationale Staatengemeinschaft beim Wiederaufbau und der Stabilisierung der betroffenen Länder. Die Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (eng. Department of Peacekeeping Operations - DPKO) wurde 1992 gegründet und leitet im Namen des UN-Generalsekretärs die von den Mitgliedsländern bereitgestellten Friedenstruppen der Vereinten Nationen bei Beobachtermissionen und Friedensmissionen. In das Mandat der UN-Peacekeeping-Operationen fällt auch die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von Kämpferinnen und Kämpfern. Der international weit verbreitete Begriff hierfür lautet „DD&R“ (eng. Disarmament, Demobilisation and Reintegration). Das UNDD&R (United Nations Disarmament, Demobilisation and Reintegration) Resource Centre führt Ländermissionen in Afrika (Burundi, Zentralafrikanische Republik, Elfenbeinküste, Demokratische Republik Kongo, Liberia, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Uganda), im asiatisch-pazifischen Raum (Afghanistan, Nepal und Salomonen) und Mittelamerika (Haiti) durch.

Worum geht es bei DD&R?

Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ist ein Prozess, der Männer, Frauen aber auch Kinder, die als Kämpferinnen und Kämpfer in militärischen Strukturen in einem bewaffneten Konflikt mitgemacht haben, aus eben diesen herausgelöst und in ein ziviles Leben (besonders auch ziviles Erwerbsleben) zurückführt. Je nach Konflikt und Land können diese Prozesse sehr unterschiedlich ausfallen. Soll DD&R erfolgreich sein, muss seine Durchführung genau an das konkrete Umfeld bzw. Land, seine (Konflikt-)Geschichte, seine Kultur und Ökonomie angepasst werden. Problematisch wird es, wenn es an den entsprechenden Analysen mangelt und das Verständnis für diese Rahmenbedingungen fehlt.

Was bedeutet DD&R im Einzelnen?

Disarmament (Entwaffnung): Bei diesem in der Regel ersten Schritt geben die Kämpferinnen und Kämpfer die Waffen ab. Dies passiert zumeist in speziell dafür vorgesehenen und vorbereiteten Zentren, z.B. Camps. Allerdings schafft die Entwaffnung keinesfalls automatisch Sicherheit. So kann sie auch zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage führen, wenn z.B. die Glaubwürdigkeit des Waffenstillstandsabkommens oder Friedensvertrages angezweifelt wird oder wenn es sich um eine unfreiwillige Entwaffnung unter starkem Zwang handelt.

Demobilisation (Demobilisierung): Demobilisierung bedeutet die formale Entlassung der Kämpferinnen und Kämpfer sowie die Auflösung der militärischen Strukturen. Oft besiegelt ein formales Dokument den Schnitt zwischen dem militärischen und dem zivilen Leben. Dies ist jedoch erst der Anfang eines viel längeren Prozesses, der vor allem in den Köpfen der Betroffenen vollendet werden muss. In der Phase der Demobilisierung erhalten die Menschen oft medizinische oder psychologische Betreuung sowie erste materielle Unterstützung durch Essen, Kleidung und Alltagsgegenstände. Die Demobilisierungsstellen führen Gespräche, halten Vorträge und erfassen Daten. Schließlich geht es um die Frage, welchen Weg die Frau bzw. der Mann gehen, welche Ausbildungsoption sie oder er wählen und wo sie oder er sich niederlassen möchte. Dies führt zur letzten Phase, der Reintegration.

Reintegration (Wiedereingliederung): Reintegration ist ein mittel- bis langfristiger Prozess mit Ausbildungsabschnitten, Einkommenserwerb und auch Bargeldzuwendungen. All dies dient dazu das Potenzial der ehemaligen Kämpferinnen und Kämpfer sowie deren Familien zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiedereingliederung zu erhöhen. Die sozioökonomische Reintegration ist ein sehr anspruchsvoller und schwieriger Weg, weil Postkonfliktländer oft nur über sehr schwache Wirtschaftsstrukturen verfügen, etwa wenn viel Infrastruktur zerstört wurde und die wirtschaftliche Entwicklung zum Erliegen kam. Manche Kämpferinnen und Kämpfer sind gesellschaftlich stigmatisiert, weil sie Gräueltaten an der Bevölkerung begangen haben. Die Wiedereingliederung ist insbesondere dann schwierig, wenn Menschen nichts außer Krieg und Kämpfen gelernt haben, also über keine zivilen Fähigkeiten oder Wissen verfügen, was ihnen erlauben würde, dauerhaft ein friedliches Einkommen zu erwirtschaften.

Bei der sozioökonomischen Reintegration geht es also um die Bereiche: Physische und psychische Gesundheit, An- und Einpassung an bzw. in zivile Gemeinschaften, Finden einer Beschäftigung und Einkommensquelle sowie Erlangung von Anerkennung und sozialem Status. Bei der politischen Reintegration steht der Zugang zu politischen (Willensbildungs)prozessen im Mittelpunkt. Sie umfasst nicht nur die Durchführung von Wahlen, sondern auch insgesamt die Teilhabe an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen wie Parteiarbeit, Mitwirkung in der Zivilgesellschaft oder bei unterschiedlichen Entscheidungsprozessen in der Gemeinschaft.

Die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ist also keineswegs eine einfache Abfolge von technischen Schritten, die die ehemaligen Kämpferinnen und Kämpfer durchlaufen. DD&R ist ein politischer Prozess mit vielen Verbindungen in Bereiche wie z.B. die Reform des Sicherheitssektors, Schaffung von Sicherheit und Stabilität im Land, dem ökonomischen (Wieder-)Aufbau des Landes, Versöhnungsprozessen, der Bekämpfung von HIV/AIDS, politischen Anpassungsprozessen, kulturellen Fragen von Waffenbesitz (militarisierte Männlichkeit) und dem Umgang mit Gruppen, die kein Interesse an Frieden haben.

Was kostet DD&R?

Die Teilnahme einer Person in einem DD&R-Prozess kostet im Schnitt (Bezugsjahr 2006) ca. 1.200 Euro (Caramés 2009). Dieser Betrag wird nicht etwa an die Teilnehmerin oder den Teilnehmer ausgezahlt, sondern bezieht sich auf die Kosten eines DD&R-Programms pro Person. Sie setzen sich z.B. aus Sachleistungen oder Aufwendungen für Unterricht und Ausbildungsmaßnahmen zusammen. Diese Durchschnittssumme ist angesichts der meist sehr niedrigen Pro-Kopf-Einkommen in den meisten Ländern mit DD&R-Prozessen recht beachtlich. Dies belegen einige Beispiele aus dem Jahr 2008 (Caramés und Sanz 2009): der DD&R-Prozess in Angola 2003 bis 2009 umfasste 138.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und kostete 181.000.000 Euro, der in der Demokratischen Republik Kongo (2005 bis 2008) mit 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern 18.400.000 Euro.

Die Gesamtkosten eines solchen DD&R-Prozesses können je nach Herkunft der Gelder untergliedert werden in z.B.:

  1. Kosten der UN-Mission,
  2. Kosten des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) oder der Weltbank für die Reintegration und
  3. Kosten der nationalen Regierung (z.B. für das Personal der Reintegrationsbehörde etc.).

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Charakter von DD&R stark verändert. Während DD&R im kalten Krieg auf Entwaffnung und Demobilisierung von staatlichen Militärs fokussiert war, wurde es in den 1990er Jahren Teil von Prozessen in der Transformation von Konflikt zu Frieden. Auch wenn die klassischen Friedenssicherungs- und Beobachtermissionen immer noch stattfinden, stellen die UN-Einsätze heute in der Regel komplexere Stabilisierungs- und Staatsaufbauprojekte dar, in die Maßnahmen zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung eingepasst werden.

In den folgenden Infotexten sollen einige Beispiele für DD&R vorgestellt werden.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2011


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Datentabellen

Für einige ausgewählte Kartenlayer stellt das Informationsportal Krieg und Frieden die vollständigen zugrunde liegenden Datensätze in tabellarischer Form bereit.

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