Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (DD&R) von Kindersoldaten

Weltweit sind an vielen bewaffneten Konflikten und Kriegen heutzutage auch so genannte „Kindersoldatinnen und -soldaten“ beteiligt. Sie stellen rund 10 bis 15 Prozent der Truppenstärke der an Kämpfen beteiligten Streitkräfte und bewaffneten Gruppen. Obwohl die meisten Programme zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (englisch: DD&R) auch bei Kindersoldatinnen und -soldaten auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft abzielen, stellt sich der DD&R-Prozess bei Heranwachsenden doch fundamental anders als bei Erwachsenen. So beginnt die Demobilisierung von Kindern oft bereits, bevor die bewaffneten Konflikte oder Kriege beendet und Friedensverträge unterzeichnet wurden bzw. ein DD&R-Programm für erwachsene Exkombattanten angefangen wurde. Parallel zur Demobilisierung von Kindersoldatinnen und -soldaten bemühen sich DD&R-Programme kontinuierlich darum, entsprechend des Zusatzprotokolls der UN-Kinderrechtskonvention zu Kindern in bewaffneten Konflikten, der Rekrutierung von Kindersoldaten vorzubeugen. Dies soll unter anderem durch die Sensibilisierung von Kombattanten, Exkombattanten, Kommandeuren und Gemeinden, die Unterstützung von Familien sowie Anstrengungen im Bereich der Sicherheitssektorreform und der Dokumentation des Einsatzes von Kindersoldaten geschehen.

DD&R-Vorhaben für Kinder sind sehr langwierig, komplex und - genau wie der reguläre DD&R-Prozess für Erwachsene - abhängig vom jeweiligen Länderkontext. Grundsätzlich aber folgen sie einem ähnlichen Muster.

Demobilisierung von Kindersoldaten

Der erste Schritt im DD&R-Prozess bei Kindern ist deren Entwaffnung und Demobilisierung, im Zuge derer die Kinder zunächst von den Streitkräften und bewaffneten Gruppen, denen sie angeschlossen sind, getrennt werden. Oftmals sind Verhandlungen mit den bewaffneten Gruppen und Streitkräften notwendig, manchmal aber gelingt den Kindern auch eigenständig die Flucht oder sie werden durch Regierungstruppen befreit. In der Regel nehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kinderschutzorganisationen (UNICEF bzw. deren Partnerorganisationen) die Kinder in Empfang und begleiten sie zu speziellen Aufnahmecamps, wo sie entwaffnet werden (sofern sie eine Waffe besitzen) und offiziell aus der Armee bzw. bewaffneten Gruppe ausscheiden. Wichtig ist hierbei, dass auch jene Kinder (insbesondere auch Mädchen) von DD&R-Programmen profitieren, die nicht aktiv am Frontgeschehen teilgenommen haben und beispielsweise nur logistische oder häusliche Tätigkeiten ausgeübt haben. Diese Kinder fallen ebenfalls in die Kategorie der Kindersoldaten und haben Anspruch auf Reintegrationshilfe.

In den Aufnahmecamps werden die Kinder identifiziert. Sie erhalten in der Regel einen Ausweis oder eine Registrierungskarte, die bestätigten, dass sie nicht länger dem Militär bzw. einer bewaffneten Gruppe angehören. Darüber hinaus werden sie neu eingekleidet und medizinisch versorgt. Zu der Vielzahl an Krankheiten und medizinischen Problemen, unter denen Kindersoldatinnen und -soldaten oft leiden, gehören vor allem Unterernährung, entzündete Wunden, sexuell übertragbare sowie psychische Krankheiten und Drogensucht.

Die Zeit, die die Kinder in den Aufnahmecamps verbringen ist, in der Regel sehr kurz (nicht länger als 48 Stunden). Wichtig ist, dass die Kinder sofort aus den militärischen Strukturen herausgenommen werden, damit die bestehenden Autoritäts- und Machtstrukturen aufbrechen. Wenn die Kinder die Verbindung zu ihren ehemaligen Befehlshabern verlieren, ist dies der erste Schritt zurück ins zivile Leben.

Gemäß internationalen Standards sollen die Kinder so schnell wie möglich mit ihren Familien wiedervereinigt werden und in ihre Heimatorte zurückkehren. Bevor dies geschehen kann, bleiben die Kinder in vielen Fällen in so genannten Übergangseinrichtungen („Interim Care Centers“ oder „Reception Centers“), während die DD&R-Programme versuchen, ihre Familien ausfindig zu machen. Dies ist oftmals sehr zeitaufwändig, kostenintensiv und gestaltet sich vor allem dann als sehr schwierig, wenn bewaffnete Konflikte oder Kriege noch anhalten. Sobald die Familie des Kindes gefunden wurde, wird diese für die Aufnahme des Kindes sensibilisiert und vorbereitet. So werden die Angehörigen in Gesprächen über die Vergangenheit und den Zustand ihres Kindes informiert. Erst dann beginnt der Reintegrationsprozess.

Die Rückkehr ins zivile Leben

Während Reintegrationsaktivitäten bei Erwachsenen darauf fokussiert sind, die Exkombattantinnen und Exkombattanten ins zivile und soziale Leben zurückzuführen sowie ihnen Einkommens- und Arbeitsmöglichkeiten aufzuzeigen, folgt die Wiedereingliederung bei Kindern anderen Maßgaben. Im Mittelpunkt steht hier vor allem die Reintegration in die bestehenden Familienstrukturen und die psychologische Betreuung. Aufgrund ihrer Gewalterfahrungen und militärischen Vergangenheit fällt es den Kindern oft nicht leicht, sich den Normen und Regeln der Familie anzupassen. Sie fühlen sich vielfach entfremdet, schuldig oder machen der Familie Vorwürfe, ihnen der Vergangenheit nicht ausreichend Schutz geboten zu haben. Vor allem sehr junge Kinder (es wird über den Einsatz von Sieben- oder Achtjährigen berichtet), die über einen langen Zeitraum kämpfende Gruppierungen unterstützt haben, haben sich mit ihrer Rolle im bewaffneten Kampf identifiziert. Oftmals wurden sie durch die bewaffneten Gruppen und Streitkräfte so beeinflusst, dass für sie das Leben im Militär das Beste zu sein scheint. Zurück in den Gemeinden, sind diese Kinder oftmals der Stigmatisierung als Kindersoldatinnen und -soldaten ausgesetzt. Manchmal haben selbst Familienmitglieder starke Vorbehalte gegenüber der Rückkehr des Kindes, weil es unter Umständen gezwungen wurde Gewalt gegen die eigene Familie oder Gemeinschaft auszuüben. In einigen Kulturen ist es daher üblich, dass das Kind traditionelle Versöhnungsrituale durchläuft, bevor es endgültig in die Gemeinschaft wieder aufgenommen wird.

In den Fällen, in denen die Kinder nicht von eigenen Familienangehörigen aufgenommen werden können - sei es, weil die Familie nicht aufzufinden ist, die Angehörigen verstorben sind oder sie das Kind schlichtweg nicht aufnehmen wollen -, stellen DD&R-Programme den Kindern eine entsprechende Betreuung. Nach Aufnahme des Kindes in eine neue Gemeinschaft, führen Sozialarbeiter Folgebesuche durch, bei denen sie sich über das Wohl des Kindes informieren. Auch versuchen sie Probleme zu lösen, die beispielsweise durch das zum Teil hohe Aggressions- und Gewaltpotential des Kindes, Streitigkeiten zwischen Familienmitgliedern, posttraumatische Belastungsstörungen oder psychopathologische Auffälligkeiten des Kindes bedingt sind. Auch die ärztliche und psychologische Betreuung wird fortgesetzt.

Eine weitere Hauptaufgabe der DD&R-Programme besteht darin, die Kinder in Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen unterzubringen und ihnen ggf. Ausbildungsplätze oder speziell auf sie zugeschnittene Trainingskurse zu vermitteln. Die sozioökonomische Wiedereingliederung von Kindern wird vielfach unterschätzt, ist aber genau wie im DD&R- Prozess für Erwachsene unbedingt erforderlich.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2011


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