Deutsche Beteiligung an Friedensmissionen

Deutschland beteiligt sich an einer Reihe unterschiedlicher Friedensmissionen. Es ist mit Zivilisten, Polizisten und Militärs in Einsätzen, die von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der NATO sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geführt werden. Im September 2011 nahmen aus Deutschland 192 Zivilpersonen, 140 Polizisten und 7.120 Soldaten an diesen Missionen teil.

Die größeren deutschen Kontingente waren eingesetzt in Afghanistan, im Kosovo, vor der Küste des Libanons und im Seegebiet am Horn von Afrika. Bis zu 39 Deutsche waren darüber hinaus unter anderem auch im Sudan, in Bosnien und Herzegowina, in Georgien, in Moldau/Ukraine, in Liberia, in Haiti, in den Palästinensischen Autonomiegebieten und an der Grenze des Gaza-Streifens zu Ägypten an Friedensmissionen beteiligt. In Serbien, Mazedonien, Albanien sowie in vier zentralasiatischen Republiken hatten OSZE-Zentren jeweils ein bis zwei deutsche Teilnehmer.

Deutsche Blauhelme

An friedenserhaltenden (peacekeeping) und Frieden aufbauenden (peacebuilding) Einsätzen, die von den Vereinten Nationen direkt geleitet werden, sind im September 2011 nur 327 Deutsche beteiligt. Das war auch in den vergangenen Jahrzehnten nicht anders. Eine Ursache dafür ist, dass Deutschland wie die übrigen großen Industrieländer nur in Ausnahmefällen Truppen unter UN-Kommando zu stellen bereit ist. Bei UN-geführten Einsätzen sind insgesamt bisher 14 Deutsche getötet worden, u. a. durch Naturkatastrophen wie in Haiti 2010.

Kambodscha 1992-1993

Die erste größere „Blauhelm“-Mission der Bundeswehr fand 1992 bis 1993 in Kambodscha statt. Dort waren rund 150 Sanitätssoldaten neben etwa siebzig deutschen Zivilisten eingesetzt, um in Phnom Penh durch ein Feldlazarett die UN-Truppen sowie die kambodschanische Bevölkerung medizinisch versorgen zu helfen. Der deutsche Einsatz gilt als erfolgreich abgeschlossen..

Libanon-Seegrenze seit 2006

Seit 2006 ist Deutschland an dem maritimen Teil der „Interimstruppe der Vereinten Nationen in Libanon“ (englisch: United Nations Interim Force in Lebanon, UNIFIL) maßgeblich beteiligt. Nach dem Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah im Sommer 2006 wurde die seit 1978 existierende UN-Beobachtermission im Libanon um einen Marineeinsatzverband ergänzt. Entsprechend dem Beschluss des UN-Sicherheitsrates sollte sie den Schmuggel von Waffen auf dem Seewege nach Libanon unterbinden. Der UN-Beschluss führte dazu, dass die Konfliktparteien, Hisbollah und Israel, einem Waffenstillstand zustimmten. Während anfangs über 900 deutsche Soldaten an dem Einsatz beteiligt waren, betrug die Zahl der deutschen UNIFIL-Blauhelme im September 2011 nur noch 246.

Politisch half die Einrichtung des UNIFIL-Marineverbandes 2006 einen Waffenstillstand herbeizuführen. Militärisch ist sein Erfolg allerdings weniger eindeutig. Denn es ist viel wahrscheinlicher, dass Waffen über den Land statt über den Seeweg nach Libanon geschmuggelt werden. Entsprechend hat der UN-Marineeinsatz zwar über 25.000 Schiffe kontrolliert, aber in keinem Fall wurden Waffen gefunden.

EU-Mission vor der Küste Somalias

Unter Führung der EU ist Deutschland seit Ende 2008 an der „Operation Atalanta“ der Europäischen Union beteiligt. Unter anderem trägt eine deutsche Fregatte dazu bei, in einem Seegebiete von 500 Meilen vor der Küste Somalias Schiffe des Welternährungsprogramms für Somalia sowie andere Schiffe vor Piratenüberfällen zu schützen. Zwar gelang es immer wieder, Kaperungen zu verhindern oder gekaperte Schiffe wieder zu befreien. Doch ein deutlicher Rückgang der Piraterie ist nicht erreicht worden.

NATO-geführte Einsätze

Der Schwerpunkt der deutschen Beteiligung an internationalen Friedensmissionen liegt bei den NATO-geführten Einsätzen in Afghanistan und im Kosovo. Für beide Einsätze hat der UN-Sicherheitsrat die NATO im Nachhinein mit einem Mandat ausgestattet, nachdem die NATO 1999 im Kosovo und eine US-geführte Koalition 2001 in Afghanistan ohne ausdrückliche UN-Mandate interveniert hatten. Der Bundestag hat diese Einsätze deutscher Truppen beschlossen und verlängert die Mandate bisher jeweils mit großen überparteilichen Mehrheiten.

Kosovo seit 1999

Die NATO-geführte „Kosovo-Truppe“ (englisch: Kosovo Force, KFOR) erhielt am 10. Juni 1999 nach dem Ende der Kampfhandlungen das Mandat durch den UN-Sicherheitsrat, den Aufbau eines multiethnischen Kosovos militärisch abzusichern. Während anfangs von den insgesamt 50.000 KFOR Soldaten 8.500 aus Deutschland kamen, bestand die KFOR-Truppe im Oktober 2011 aus 6.240 Soldaten, davon 1.451 aus Deutschland. Im Ergebnis sind durch den KFOR-Einsatz Gewalttätigkeiten erheblich zurückgegangen.

Afghanistan seit 2001

Seit Dezember 2001 ist die Bundeswehr als Teil der von der NATO geführten „Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe“(englisch: International Security Assistance Force, ISAF) in Afghanistan im Einsatz. Ziel des UN-mandatierten Einsatzes ist es vor allem, die nach der Vertreibung der Taliban neue afghanische Regierung beim Wiederaufbau und der demokratischen Entwicklung des Landes zu unterstützen sowie die Bevölkerung zu schützen, solange afghanische Sicherheitskräfte dazu nicht in der Lage sind. Auch soll verhindert werden, dass Afghanistan erneut zu einem Rückzugsgebiet für die internationale Terrororganisation Al Qaida wird, die von afghanischem Boden aus die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA geplant hatte.

Die Bundeswehr war im September 2011 mit 5.203 Soldaten in Afghanistan an der insgesamt 132.000 Soldaten starken NATO-Truppe beteiligt. In den zehn Jahren des Einsatzes wurde 52 Bundeswehrsoldaten getötet, zahlreiche weitere wurden verwundet oder sind mit posttraumatischen Störungen aus dem Einsatz zurückgekehrt. Die Kosten des deutschen Afghanistaneinsatzes betragen zwischen einer und drei Milliarden Euro jährlich. Die Bundesregierung plant – ebenso wie die USA und andere NATO-Partner – die Zahl der Soldaten ab 2012 zu reduzieren. Während im Bundestag der Einsatz eine breite Unterstützung erfährt, spricht sich laut Meinungsumfragen seit Jahren eine deutliche Mehrheit der Deutschen für einen Abzug der Bundeswehr aus.

Probleme und Kritik

Friedensforscher kritisieren das deutliche Übergewicht der militärischen Anteile der deutschen Beteiligung an Friedensmissionen. Zivile Konfliktprävention und zivile Konfliktlösung spielen demgegenüber sowohl in Bezug auf die finanziellen Ressourcen als auch in Bezug auf die Anzahl des eingesetzten Personals eine völlig nachgeordnete Rolle. Auch wird immer wieder eine ausreichende Evaluierung der Einsätze angemahnt. Hinzu kommt, dass die propagierten Ziele der Friedensmissionen zum Teil unrealistisch oder/und mit den aufgewendeten Mitteln nicht zu erreichen sind. Ein weiteres Problem besteht in Bezug auf den deutschen Afghanistan-Einsatz in der Kluft zwischen dem Handeln der Regierung bzw. der Bundestagsmehrheit und der Meinung der Bevölkerungsmehrheit. Dies führt zu einem Legitimationsdefizit des Einsatzes.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2011


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