Friedensmissionen

Als Friedensmissionen werden hier alle multilateralen Friedenseinsätze bezeichnet, die eingerichtet werden, um nach einem externen oder internen gewaltsamen Konflikt zu helfen, die Gesellschaften wieder zu stabilisieren, Frieden zu erhalten bzw. die Grundlagen für einen dauerhaften Frieden aufzubauen. Friedensmissionen sind vor allem als Einsätze der Vereinten Nationen bekannt geworden. Inzwischen gibt es aber weit mehr Akteure. Laut Berechnungen des schwedischen Friedensforschungsinstitutes SIPRI fanden im Jahre 2010 insgesamt 52 Friedensmissionen statt. Darunter waren 19 von den Vereinten Nationen, 12 von der Europäischen Union, sieben von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und drei von der NATO geleitete Einsätze. Auftrag, Mandat, Zusammensetzung und Umfang von Friedensmissionen unterscheiden sich erheblich. Viele sind vor allem politische Unterstützungseinsätze. Einige sind reine „Beobachtermissionen“, andere beschäftigen sich mit dem Aufbau von Polizei oder Militär. Ein Teil der Friedensmissionen hat vorwiegend militärische Komponenten. Oft sind es multidimensionale Einsätze.

Die wichtigste Aufgabe des UN-Sicherheitsrates ist laut der UN-Charta die Wahrung bzw. Wiederherstellung des Friedens. Deshalb werden in der Regel Friedensmissionen vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen und durchgeführt oder werden von anderen internationalen Organisationen entsprechend einem Mandat des Sicherheitsrates geleitet. Die Grundprinzipien dieser Einsätze sind: Unparteilichkeit, Einsatz nur mit Einverständnis der Regierungen des Landes, in dem die Einsätze stattfinden sollen, und Gewalteinsatz im Wesentlichen nur zur Selbstverteidigung.

Neben politischen, friedenserhaltenden (peacekeeping) und Frieden aufbauenden bzw. konsolidierenden (peacebuilding) Einsätzen gibt es auch friedenserzwingende (peace enforcing) Missionen. Diese erfordern nicht die Zustimmung der jeweiligen Regierung des Gastlandes. Deshalb werden sie von der UN auch nur sehr selten beschlossen.

Nicht als „Friedensmissionen“ können Kriege wie die Intervention der NATO in Serbien/Kosovo 1999 sowie der von den USA und einigen ihrer Verbündeten geführte Krieg zum Sturz von Saddam Hussein im Irak 2003 gewertet werden. Diese wurden von Koalitionen von Staaten ohne die Autorisierung des UN-Sicherheitsrates begonnen, auch wenn sie damit gerechtfertigt wurden, dass nur so der Frieden gesichert werden könne. Erst nachdem diese Kriege einen vorläufigen Abschluss gefunden hatten, wurden UN-Friedensmissionen in diesen Ländern quasi als „Nachsorgeoperationen“ eingerichtet.

Politische, Frieden aufbauende Missionen (peacebuilding)

Politische, Frieden aufbauende Missionen unterscheiden sich von friedenserhaltenden Missionen vor allem durch die geringe Rolle, die das Militär bei diesen Einsätzen spielt. Entsprechende Missionen sind oft vor und bei Friedensverhandlungen zwischen Konfliktparteien wichtig. Manchmal werden sie nach erfolgreichen Verhandlungen von friedenserhaltenden Missionen abgelöst.

Laut SIPRI unterhielt die UN 2010 fünf solcher Missionen mit insgesamt rund 1.200 Mitarbeitern, darunter nur rund 200 Soldaten. Die umfangreichste EU-geleitete politische, Frieden aufbauende Mission findet seit 2008 im Kosovo statt. Mit rund 1.650 internationalen Mitarbeitern, darunter circa 1.100 Polizisten, soll „EULEX Kosovo“ dort rechtsstaatliche Strukturen und Handlungsweisen zu entwickeln helfen. Friedenserhaltende Missionen (peacekeeping)

Die bekanntesten „Friedenserhalter“ sind die so genannten „Blauhelme“ - Soldaten, die in UN-geführten Einsätzen ihren Dienst tun. 1988 erhielten sie für ihre Missionen den Friedensnobelpreis.

Die erste friedenserhaltende UN-Mission war die „UN Truce Supervision Organization“ (UN-Waffenstillstandsüberwachungsorganisation), die nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg 1948 gebildet wurde. Sie existiert noch heute und bestand im Jahre 2011 aus 149 Beobachtern.

Insgesamt hat die UN seit 1946 66 friedenserhaltende Einsätze durchgeführt. Bis zum Ende des Kalten Krieges wurden nur 13 solcher Missionen beschlossen. Zwischen 1988 und 1995 wurden demgegenüber 26 Einsätze auf den Weg gebracht. Die Anzahl der Blauhelme stieg in diesem Zeitraum von 10.000 auf etwa 80.000. Dabei weitete sich das Aufgabenspektrum der friedenserhaltenden Missionen erheblich aus. Der Aufbau staatlicher Institutionen, die Überwachung von Wahlen, sowie die Bearbeitung von Konfliktursachen kamen immer häufiger zu den ursprünglichen Aufgaben der Überwachung von Waffenstillstands- und Friedensabkommen hinzu. Zunehmend erhielten die Blauhelme auch sogenannte „robuste Mandate“, also die Erlaubnis militärische Gewalt nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch zu Durchsetzung ihrer Mandate – zum Beispiel dem Schutz der Zivilbevölkerung - einzusetzen.

Nach einer Phase der Ernüchterung und Zurückhaltung Ende der 1990er Jahre nahmen Anzahl und Umfang von friedenserhaltenden Missionen der UN nach 2000 wieder deutlich zu. 2011 bestanden die 15 UN-Missionen zur Friedenserhaltung aus rund 120.000 Personen, darunter rund 85.000 Soldaten und 14.000 Polizisten.

Friedenserhaltende Einsätze, die eine starke militärische Komponente enthalten, werden oft von den Vereinten Nationen an andere Akteure, zum Beispiel die NATO, delegiert. Entsprechend hat die UN im Dezember 2001 die „Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe“ (engl. International Security Assistance Force, ISAF) beauftragt, die neue afghanische Regierung bei der Sicherung des Friedens im Land zu unterstützen. Diese Regierung war nach der Vertreibung der Taliban durch die US-geführte Militärkoalition eingesetzt worden. Im Jahre 2011 umfasste die ISAF 140.000 Soldaten. Obwohl dieser Einsatz als „Krieg“ betrachten werden kann, gilt er in der Regel als „friedenserhaltend“.

Kosten von Friedensmissionen

Die Teilnehmer an Friedensoperationen werden von den jeweiligen Organisationen, die die Missionen leiten, und entsprechend den Regeln dieser Organisationen bezahlt. So werden die Kosten für die NATO-Truppen in Afghanistan zum Beispiel von den einzelnen entsendenden Staaten getragen. Die UN-Friedensmissionen werden von den UN-Mitgliedsstaaten entsprechend einem besonderen Schlüssel finanziert. Die Staaten, die Soldaten und Material entsenden, erhalten von der UN eine finanzielle Entschädigung - für jeden Blauhelmsoldat pro Monat 1.028 US-Dollar.

Herkunft der Beteiligten

Über 100 Länder beteiligten sich 2011 an den Friedensmissionen der Vereinten Nationen. Die größten Kontingente an den Blauhelmen stellten Bangladesch und Pakistan mit jeweils 10.600 Soldaten, gefolgt von Indien (8.400) und Nigeria (5.800). Die Beteiligung von entwickelten Industrieländern an diesen Missionen ist minimal. Rechnet man die UN-mandatierten NATO-Einsätze in Afghanistan und im Kosovo hinzu, so stellten die USA mit 90.000 Soldaten die meisten Truppen.

Probleme und Kritik

Die Ergebnisse von Friedensmissionen sind insgesamt sehr durchwachsen. Während in vielen Fällen eine gewalttätige Konfliktaustragung eingedämmt werden konnte, haben sie aber oft auch nicht zur Entwicklung eines dauerhaften Friedens geführt. Tiefpunkte der UN-Friedenssicherungsaktivitäten waren Ereignisse in Ruanda und Bosnien-Herzegowina: Als in Ruanda der Völkermord an den Tutsi begann, zog der UN-Sicherheitsrat 1994 einen großen Teil der dort stationierten UN-Truppen ab. In Bosnien-Herzegowina verhinderten 1995 die Blauhelme nicht die Ermordung von 8.000 Menschen in Srebrenica.

Ein Grund für die gemischte Bilanz von Friedensmissionen sind Partikularinteressen der großen Staaten, insbesondere der fünf Veto-Mächte der UN, sowie Kalküle örtlicher Konfliktparteien. Auch sind unscharfe Mandate und schlechte Ausstattung immer wieder ein Problem für Blauhelme. So fehlen der Mission der Afrikanischen Union im Sudan seit Jahren Hubschrauber, die aber kein Land zu stellen bereit ist. Besonders in Afghanistan, Irak und im Kosovo wurde zudem deutlich, dass es in Bürgerkriegssituationen keine militärischen Lösungen gibt. Auch haben sich die Hoffnungen, durch externe Interventionen die Menschenrechte sichern und demokratische Strukturen aufbauen zu können, oft als Illusion erwiesen.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 11/2011


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