Bitterer Kakao - Landwirtschaftliche Produkte als Konfliktrohstoffe

In der Debatte um Konfliktrohstoffe geht es meist um extraktive Rohstoffe wie Metalle, Mineralien und Energieträger, also z.B. Gold, Eisenerz, Diamanten und Erdöl. Manche dieser Naturschätze wie Diamanten und Gold eignen sich besonders zur Konfliktfinanzierung. Auch Rebellengruppen können sie mit einfachen Mitteln abbauen (lassen), ihr Wert ist hoch und sie sind auf den internationalen Märkten begehrt.

Doch auch andere Arten von Rohstoffen wurden von Rebellengruppen zur Finanzierung ihres Kampfes genutzt. So versorgen sich in Somalia seit dem Staatszerfall die wechselnden Konfliktparteien aus der Produktion und dem Verkauf von Bananen, Khat (eine regionale Alltagsdroge) und Holzkohle.

Entscheidend ist, dass die Rohstoffe einen hohen Wert auf den internationalen Märkten haben. Dies erlaubt bewaffneten Gruppen an Devisen zu gelangen, mit denen sie ihre Waffen- und Munitionskäufe bezahlen können. In der westafrikanischen Elfenbeinküste (Cote d'Ivoire) trugen z.B. Anbau, Schmuggel und Verkauf von Kakao nicht nur zum Einkommen der Konfliktparteien bei, sondern es waren auch Missstände in der Verwaltung des Kakaosektors, die die gesellschaftlichen Gegensätze so verschärften, dass sie zur Rebellion von 2002 führten.

Bitterer Kakao

Kakao war und ist für die Elfenbeinküste ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auch wenn die Staatseinnahmen aus der Ölindustrie den Kakaosektor seit 2006 überholt haben, stammen immerhin noch 40 Prozent daraus. Er bietet außerdem hunderttausenden Kakaobauern und ihren Familien ein Einkommen.

Für das Entstehen der regionalen Wirtschaftsmacht Elfenbeinküste war die Kakaoproduktion entscheidend. Unter dem ersten Präsidenten, Felix Houphouet-Boigny (Amtszeit 1960 bis 1993), prosperierte die Wirtschaft und die Kakaoproduktion wurde stark ausgeweitet. Um den arbeitsintensiven Kakaoanbau zu bewältigen, wurden zahlreiche Arbeitsmigrantinnen und -migranten willkommen geheißen. Zuwandererinnen und Zuwanderer aus Nachbarländern und anderen Regionen arbeiteten nicht nur auf den Kakaoplantagen im Westen des Landes, sondern erwarben auch einen großen Teil der Kakaoanbauflächen, um sich selbständig zu machen. Lange Zeit gab die lokale Bevölkerung ihr Land gerne zur Bewirtschaftung frei, weil sie selbst mehr vom Jagen und Fischen lebte.

Der Verfall der Weltmarktpreise für Kakao in den 1980er Jahren traf die Elfenbeinküste hart. Da sich die Wirtschaftsleistung hauptsächlich auf den Kakaoexport stützte, führten die schlechten Preise fast zum Staatsbankrott. In der Folge wurden Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank durchgeführt.

Zur selben Zeit gestaltete sich auch die politische Landschaft um. Während Houphouet-Boigny bis dahin in autokratischer Manier regierte, wurden 1990 die ersten pluralistischen Wahlen abgehalten, durch die dieser auch eine demokratische Legitimation erhielt. Nach dem Tod des Präsidenten 1993 entbrannte der Kampf um die politische Macht.

Im Kontext von politischer Auseinandersetzung und wirtschaftlichem Niedergang kam die Identitätsfrage - „Ivorer gegen Eingewanderte“ – auf die Tagesordnung. Betroffen waren vor allem die Zuwandererinnen und Zuwanderer von den Kakaoplantagen. Als die Wirtschaft noch florierte, waren diesen Migrantinnen und Migranten Besitztitel für ihre Kakaoplantagen angeboten worden. Mit der Wirtschaftskrise und steigender Arbeitslosigkeit in den Städten kehrte nun die alteingesessene Bevölkerung in die Dörfer zurück und wollte die Ländereien wiederhaben.

Dieser „Identitätskonflikt“ spielte auch bei den Wahlen 1995 eine entscheidende Rolle. Nach dem Konzept der „Ivoirité“ durften Einwandererinnen und Einwanderer nicht wählen. Und nur Personen, deren Eltern aus der Elfenbeinküste stammten, durften kandidieren. Auf dieser Grundlage wurden Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen.

Dieselben Fragen der Identität und Staatsangehörigkeit lagen auch der Rebellion zu Grunde, die 2002 mit einem Putschversuch durch Teile der Armee begann. Er führte zu einem Bürgerkrieg, der das Land für beinahe zehn Jahre in zwei Teile spaltete: den von der Regierung beherrschten Süden und den von den Rebellen kontrollierten Norden. Erst nach den Präsidentschaftswahlen von November 2010 wurde das Land faktisch wiedervereinigt.

Doch der Kakaosektor spielte nicht nur für die Konfliktursachen eine Rolle. Während der Kämpfe und vor allem während der langen Blockade zwischen Nord und Süd nutzen sowohl Regierung als auch Rebellen die Einnahmen aus der Kakaowirtschaft zur Stabilisierung ihrer Position.

Auf Regierungsseite wurden Einnahmen aus dem Kakaosektor für die Bekämpfung der Rebellen ausgegeben. Die Regierung unter Präsident Gbagbo führte dazu Gelder aus den zahlreichen dazugehörigen Behörden ab, die damit eigentlich die Kakao-Anbauer und die Organisation des Wirtschaftszweigs unterstützen sollten. Gleichzeitig blühte unter Gbagbo die Vetternwirtschaft. Die korrupten Behördenleiter konnten sich persönlich bereichern und bekamen dadurch den Anreiz zur Loyalität gegenüber dem Regime.

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Regierung einen großen Teil der Einnahmen aus der Kakaowirtschaft für Militärausgaben genutzt hat. In einer heißen Phase des Bürgerkriegs, im Dezember 2002, erhielt die Regierung 20,3 Millionen US-Dollar von den Kakao-Regulierungsbehörden, was 20 Prozent des Rüstungshaushalts zwischen September 2002 und Dezember 2003 entsprach. Diese Zahlung wurde ausdrücklich von den internationalen Exportunternehmen von Kakao (ADM, Barry-Callebaut, Cargill, u.a.) gutgeheißen, die im Vorstand der Regulierungsbehörde BCC saßen. Sie bezeichneten dies als „Beitrag zum Frieden“. Auch im Jahr 2003 wurden laut der Expertengruppe der Vereinten Nationen die Abgaben der Kakaobehörden und Steuern in Höhe von 2,3 Milliarden US-Dollar für steigende Militärausgaben genutzt. 2005 erhielt das Büro des Präsidenten laut EU-Prüfungsbericht von Kakaobehörden 30,5 Millionen Euro für „Souveränitätsausgaben“ – also eine weitere Blanko-Abgabe zur Unterstützung des Regimes.

Auf Seiten der Rebellen war die Kontrolle des Kakaohandels eine wichtige Einnahmequelle, durch den sie ihre Strukturen aufbauen und aufrechterhalten konnten. 10 Prozent des ivorischen Kakao wird im Norden des Landes produziert, der seit dem Beginn des Bürgerkriegs 2002 von den Rebellen der Forces Nouvelles gehalten wird. Diese unterbanden die Ausfuhr des Kakaos in den Süden, von wo aus er bis dahin über die Häfen exportiert wurde. Stattdessen verlagerten sie die Kakaoproduktion in die Nachbarländer Mali, Burkina Faso und Guinea. Um dies zu organisieren und auch noch Steuern auf den Schmuggel zu erheben richteten sie eine eigene „Behörde“ ein: La centrale. Jede LKW-Ladung Kakaobohnen musste Passierscheine der Centrale haben und weitere Abgaben an sie bezahlen. Seit 2004 hat allein die Kontrolle des illegalen Kakaohandels den Rebellen jährlich ca. 23 Millionen Euro eingebracht. Das Geld diente nicht nur dem Kauf von militärischer Ausrüstung, Soldzahlungen und Schmiergeldern zum Erhalt der Loyalität, sondern auch der persönlichen Bereicherung der Rebellenführer.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 01/2012


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