Fallstudie Demokratische Republik Kongo: Rohstoffreichtum, Armut und Konflikte

Die Demokratische Republik Kongo (DRK) ist eines der wenigen Länder Afrikas, in denen bewaffnete Auseinandersetzungen bis heute mit dem Handel von Mineralien finanziert werden. Die DR Kongo ist durch Berichte von Expertengruppen der Vereinten Nationenund zunehmendes Medieninteresse zum traurigen Paradebeispiel dafür geworden, wie Konflikte und Ausbeutung von Rohstoffen zusammenhängen.

Die DR Kongo ist eines der rohstoffreichsten Länder Afrikas. Kupfer, Diamanten, Kobalt, Koltan und Gold finden sich dort im Überfluss. Auch für die Bundesrepublik Deutschland ist die DR Kongo (laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) einer der zehn wichtigsten Rohstofflieferanten. Dennoch ist der zentralafrikanische Staat einer der ärmsten weltweit. Seine Gesamtwirtschaftsleistung lag 2010 bei 23,1 Milliarden US-Dollar – der deutsche Bundeshaushalt lag im Vergleichsjahr bei 319,5 Milliarden Euro. Auf dem Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index, HDI) der Vereinten Nationen belegt das Land den letzten Platz (Rang 187) und geschätzte 70 Prozent seiner Bevölkerung lebten 2006 unter der nationalen Armutsgrenze. In den 1990er Jahren machte das Land zwei Bürgerkriege durch und ist bis heute nicht befriedet. Zwar kam es 2003 zu einem Friedensabkommen der ehemaligen Kriegsparteien, aber im Osten der Republik gehen Kampfhandlungen und bewaffnete Überfälle auf die Zivilbevölkerung weiter.

Die kongolesische Kriegsökonomie und die Rolle internationaler Unternehmen

Wie funktionierte die kongolesische Kriegsökonomie? Während des ersten Kongo-Krieges (1996 bis 1997) begannen Kriegsherren, Rohstoffe zu vermarkten. Zum einen errichteten die Rebellengruppen in den von ihnen kontrollierten Gebieten Steuersysteme. Der lukrative Handel mit Rohstoffen stellte dafür eine wichtige Säule dar. Zum anderen erlangten die Rebellengruppen mit ihren ausländischen militärischen Verbündeten die Kontrolle über einige Bergbaugebiete, wo sie die Menschen zwangen für sie zu arbeiten. Die Rebellengruppe „Kongolesische Sammlung für die Demokratie" RCD (Rassemblement Congolais pour la Démocratie), mit Ruanda verbündet, versuchte zeitweilig sogar, den Export von Metallen zu monopolisieren. Für diesen Zweck gründete sie im Jahr 2000 die Handelsfirma Somigl, welche das alleinige Recht haben sollte Koltan auszuführen.

Koltan, ein Grundstoff für die Elektronikindustrie, zum Beispiel für Handys, spielte lange eine wichtige Rolle in der Kriegsöokonomie. Im östlichen Kongo finden sich Lagerstätten, die ohne große technische Hilfsmittel in Handarbeit abgebaut werden können. Um das Jahr 2000 stieg der Preis für Koltan als Folge des Mobiltelefon- und Computerbooms stark an. Koltan wurde zur wichtigsten Finanzquelle von Rebellen und Milizen im Osten des Kongo. Somigl, die Handelsfirma der RCD, verkaufte allein im Dezember 2000 Koltan im Wert von 1,12 Millionen US-Dollar. Der Koltanboom ging jedoch rasch wieder zu Ende, so dass Somigl bereits 2001 aufgelöst wurde. Die Vermarktung lief danach über lokale Händler und ausländische Aufkäufer der Koltan verarbeitenden Industrie, unter anderem über die deutsche Firma H.C. Starck, eine Tochter des Bayer-Konzerns.

Nichtregierungsorganisationen und eine UN-Expertengruppe forderten Sanktionen gegen den Koltanhandel aus dem Kongo, die aber vom Sicherheitsrat nicht verhängt wurden. Ein Argument der UN war, dass ein Embargo angesichts der weit offenen Grenzen schwer durchzusetzen sei. Ein anderes lautete, dass Koltansanktionen vor allem die Masse der Schürfer treffe, die ohne andere Erwerbsquellen seien. In der Tat werden im Kongo die meisten Rohstoffe wie Koltan, Zinn, Diamanten oder Gold von hunderttausenden Kleinschürfern abgebaut, die mit ihrer puren Muskelkraft arbeiten. Die Diskussion um Sanktionen ist weiterhin aktuell. Eine neue Gesetzgebung der USA hat zu einem De-Facto-Boykott von Zinnerz, Koltan, Wolfram und Gold in den Ostprovinzen Süd- und Nordkivu geführt. Der sogenannte Dodd-Frank-Act (vgl. Infotext „Nationale Regulierung von internationalen Unternehmensaktivitäten“) untersagt zwar nicht den Handel mit diesen Metallen aus der DR Kongo, schreibt den Unternehmen jedoch vor, Berichte zu veröffentlichen, ob sie Metalle aus den Konfliktgebieten beziehen. Ein Großteil der Elektronikindustrie hat seitdem seine Käufe aus der Region vorübergehend eingestellt.

Um den Rohstoffabbau in der DR Kongo legal und fair zu gestalten, müssen die Eigentumsverhältnisse an Rohstoffvorkommen, die Abbaulizenzen und die Verteilung der daraus resultierenden Einnahmen geklärt werden. Dies sind bis heute noch offene Fragen.

Konfliktursachen und -verlauf

Auch wenn die Rohstoffausbeutung in der DR Kongo sicher als Konfliktmotivation diente, liegen und lagen den Kriegen und bewaffneten Konflikten dort politische und gesellschaftliche Probleme zugrunde. So ist der Kongo ein extrem armes Land mit über 200 ethnischen Gruppen und einem wenig präsenten, korrupten Staat im Fadenkreuz regionaler und überregionaler politischer Interessen.

Mit einer Fläche von 2.344.885 Quadratkilometern – sechs Mal größer als Deutschland - ist das Land schwer zu regieren. Dazu kam, dass die Rohstoffausbeutung immer wieder Anlass für interne Machtkämpfe und externe Interventionen wurde. Sie lag lange Zeit überwiegend in der Hand europäischer (vor allem belgischer) Konzerne. Daran änderte auch die als „Zairisierung“ bezeichnete teilweise Verstaatlichung unter Präsident Mobutu nur wenig, der das Land bis 1997 regierte. Der autokratische Herrscher missbrauchte die Staatsbetriebe der Kupfer- und Diamantenförderung zur Finanzierung seines verschwenderischen Lebensstils und der Auszahlung seiner Mitläufer. Die reichen Rohstoffvorkommen weckten Begehrlichkeiten bei den Nachbarregierungen. Regionale Mächte mischten sich seit den zwei Kongo-Kriegen (1996 bis1997 und 1998 bis 2003) immer wieder militärisch in die Konflikte im Kongo ein, sei es durch Unterstützung verschiedener Kriegsparteien oder durch direkte militärische Intervention. Sie waren (und sind) auch die wichtigste Quelle für Waffen und Munition im Kongo. Im zweiten Kongo-Krieg versuchten Rebellenführer aus dem rohstoffreichen Osten mit Unterstützung der Nachbarländer (Ruanda, Uganda) die Zentralregierung in Kinshasa zu stürzen. Andere Nachbarländer wie Angola und Simbabwe unterstützten wiederum die Zentralregierung. Sie nutzten die Kontrolle über Rohstoffgewinnung und -vermarktung zur Finanzierung dieser Aktivitäten. Gleichzeitig bereicherten sich aber auch Individuen in Streitkräften und Staatsapparaten.

Der erste Kongo-Krieg muss auch vor dem Hintergrund des Genozids in Ruanda von 1994 gesehen werden. Die extremistische Hutu-Regierung ließ dort bis zu eine Million Tutsi und oppositionelle Hutu ermorden. Als Tutsi-Rebellen den Genozid beendeten, flohen mehr als eine Million Hutu in den Kongo (damals: Zaire), darunter auch Beteiligte am Völkermord, sogenannte Interahamwe. Die neue ruandische Regierung fühlte sich durch die extremistischen Hutu in den Flüchtlingslagern bedroht und rechtfertigte damit 1996 ihren Einmarsch im Kongo. Die Präsenz der ruandischen Hutu verschärfte außerdem im Osten des Kongo Konflikte zwischen kongolesischen Hutu und Tutsi (im Nordkivu) sowie anderen „alteingesessenen“ Ethnien wie den Wabembe und zugewanderten Gruppen wie den Banyamulenge (im Südkivu). Die zahlreichen an den Kriegen beteiligten bewaffneten Gruppen, seien sie kongolesisch oder ausländisch - haben das Ihre dazu beigetragen, die Gegensätze zwischen den ethnischen Gruppen weiter zu vertiefen.

Erst im Juli 2003 wurden begrenzte UN-Sanktionen gegen den Import von Waffen und Munition verhängt, die zunächst auf Regionen im Ost-Kongo beschränkt waren. Heute sind nach Militäroperationen durch kongolesisches und ruandisches Militär sowie UN-Friedenstruppen ein großer Teil der bewaffneten Gruppen entweder in die Armee eingegliedert oder entwaffnet. Die ruandischen Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas, FDLR (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda), gegründet von ehemaligen Interahamwe, und einige kongolesische Milizen bestehen jedoch weiterhin, überfallen Dörfer und kontrollieren einige Handelsrouten. Trotz verschiedener Abkommen und der mit zwischenzeitlich mehr als 20.000 Soldaten größten UN-Friedensoperation aller Zeiten (MONUC dann MONUSCO) ist das Kriegsgeschehen immer noch nicht völlig zum Erliegen gekommen.

Auch für das aktuelle Konfliktgeschehen spielen natürliche Rohstoffe, ihre Ausbeutung und ihr Handel eine wichtige Rolle. FDLR, Milizen und Armee kontrollieren weiterhin auch einen großen Teil der Bergbaugebiete. Teile der staatlichen Armee nehmen genauso Schutzzölle wie Rebellen und Milizen und besitzen wirtschaftliche Anteile an Stollen.

Quellen und weiterführende Informationen:

BICC 01/2012


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