Konfliktrohstoff Diamanten

Blutdiamanten – kaum ein Schlagwort stellt den Zusammenhang zwischen Krieg und Rohstoffen prägnanter her. Es bezieht sich auf Bürgerkriege, in denen Rebellen ihren blutigen Kampf über den Verkauf der Edelsteine finanzierten. Dies war in den 1990er Jahren in den westafrikanischen Staaten Angola, Liberia und Sierra Leone der Fall. Handelte es sich bei diesen Konflikten also um Rohstoffkonflikte? Nicht ausschließlich. Die Bürgerkriege dort hatten komplexere Ursachen. Diamanten waren weniger Ursache für den Ausbruch der Konflikte, die politische und sozio-ökonomische Gründe hatten, als vielmehr Finanzierungsquelle mit entscheidender Bedeutung für ihren Fortgang und Verlauf.

Sierra Leone – Ursachen des Krieges

Die Grausamkeiten des Bürgerkriegs in Sierra Leone (1991 bis 2002) sind im Kinofilm „Blood Diamond“ von 2006 anschaulich dargestellt. Der Schauspieler Leonardo Di Caprio versinnbildlicht in seiner Schurkenrolle die Verwicklung internationaler Diamanten- und Waffenhändler in die Kriegsverbrechen. Die Bilder von mit Drogen vollgepumpten Kinder- und Jugendsoldaten, die Straßensperren und Diamantenfelder überwachen, bleiben im Kopf. Doch wie kam es dazu, dass die Geschäfte mit Diamanten einen derart grausamen Krieg anfachen konnten? Ging es den Rebellen tatsächlich hauptsächlich um die wertvollen Edelsteine, als sie den Krieg anfingen?

Der Krieg in Sierra Leone begann im März 1991 mit dem Einmarsch einer Rebellengruppe, die sich RUF (Revolutionary United Front) nannte und vom liberianischen Kriegstreiber (und späteren Präsidenten Liberias) Charles Taylor unterstützt wurde. Die Rebellen der RUF kämpften gegen die Regierungstruppen. Um sich vor den Kämpfen zu schützen, bildete die Bevölkerung lokale Selbstverteidigungsmilizen. Die Regierung heuerte die private Söldnertruppe „Executive Outcomes“ aus Südafrika an. Aber auch eine regionale Friedenstruppe der ECOWAS, ein UN-Militärteam und die britische Armee griffen in das Kriegsgeschehen ein. Der Krieg endete mit einem Friedensabkommen im Jahr 2002. Die UN-Friedensmission UNAMSIL (1999 bis 2005) stützte den Friedensprozess mit zeitweise über 15.000 Soldaten. Diamanten waren bereits vor Kriegsausbruch der wichtigste Rohstoff des Landes. In den 1960er und 1970er Jahren brachten sie um 70 Prozent der Exporteinnahmen Sierra Leones ein. Es lag also nahe, dass in der Zeit des Krieges sowohl Rebellen als auch Regierungsseite den Diamantenhandel zur Kriegsfinanzierung nutzten. Die Rebellen besetzten die Diamantenfelder aber erst ab 1994, was als Indiz dafür gelten mag, dass es ihnen nicht in erster Linie um eine schnelle persönliche Bereicherung am Diamantenhandel ging.

Ursache für den Bürgerkrieg war vor allem eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit der gesamten Staatsverwaltung. Korruption und Misswirtschaft hatten das Land über Jahrzehnte hinweg ruiniert. Auch der Diamantensektor war heruntergewirtschaftet. Anfang der 1990er Jahre war Sierra Leone eines der ärmsten Länder der Welt, und auch heute noch belegt es nur Rang 180 von 187 auf dem Human Development Index. Hohe Arbeitslosigkeit und fehlende Zukunftschancen frustrierten die Jugend. Viele suchten ein Auskommen als Diamantenschürfer. In Sierra Leone überwiegen alluviale Vorkommen von Diamanten, die sich nah an der Erdoberfläche, häufig in Flüssen, befinden und relativ leicht von Hand abgebaut werden können. Zehntausende von Arbeitern kamen ohne viel Kapital und Maschinen in die Diamantenregionen und schürften nach den wertvollen Steinen. Doch die Arbeitsbedingungen waren erbärmlich und die Einkommen häufig ungenügend. Der Löwenanteil der Einnahmen ging an die Grubenbesitzer und lokale wie internationale Händler. Die RUF-Kämpfer kritisierten den Rohstoffabbau als “Vergewaltigung der ländlichen Regionen, um die Gier und die Launen der Elite in Freetown und ihrer ausländischen Meister zu befriedigen“(Ross 2004).

Ähnlich wie in Nigeria besteht auch in Sierra Leone ein Zusammenhang zwischen Rohstoffreichtum und Konflikten einerseits und schlechter Verwaltung und mangelnder Entwicklung in den jeweiligen Fördergebieten andererseits. In beiden Fällen flossen Milliardenbeträge in die Taschen korrupter Beamter und Politiker, in Sierra Leone vor allem dadurch, dass ein großer Teil der Diamanten außer Landes geschmuggelt wurde. Ein lukratives Geschäft, denn Diamanten sind nicht nur leicht zu transportieren, sondern in Sierra Leone von sehr guter Qualität und erzielen einen hohen Preis auf dem Weltmarkt. Ihr durchschnittlicher Exportwert schwankte zwischen 130 US-Dollar pro Karat im Jahr 2000 und bis zu 260 US-Dollar pro Karat 2008 (Karat = 0,2 Gramm). Mittels ihrer vielfältigen Verbindungen zu Diamantenunternehmen profitierten davon auch die Regierungseliten in Sierra Leone (Heart of the Matter).

Diamanten als Finanzquelle des Krieges

Sowohl den Rebellen als auch der Regierung in Sierra Leone dienten Diamanten als Zahlungsmittel für die Finanzierung des Krieges. Dies konnte allerdings nur funktionieren, weil es – ganz nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage – auch ausländische Abnehmer für die kostbaren Steine gab, die ohne Fragen zu stellen bereit waren dafür viel Geld zu zahlen oder direkt Kriegsmaterial in Form von Waffen, Munition und anderen Ausrüstungsgegenständen zu liefern. So erhielt die RUF insbesondere von Charles Taylor, der mit profitablen Diamantengeschäften seine eigene Macht in Liberia sichern konnte, finanzielle Unterstützung für ihren blutigen Aufstand. Die Regierung wiederum verwendete ihre Mittel u.a. dafür, die Söldnerfirma „Executive Outcomes“ einzusetzen, als die RUF Rebellen bis auf wenige Kilometer auf die Hauptstadt Freetown vorgerückt waren. Finanzielle Hilfe kam zudem durch das kanadisch-südafrikanische Unternehmen DiamondWorks, durch die „Executive Outcomes“ im März 1995 die Diamantenfelder von Kono einnehmen konnte. Im Gegenzug stellte die Regierung der Firma eine Diamantenkonzession (Koidu im Kono Distrikt) in Aussicht.

Das Ende der Blutdiamanten?

Auch die Beschaffenheit des internationalen Diamantenmarkts erleichterte die Machenschaften der kriminellen Netzwerke. Der Handel mit Diamanten beruht traditionell auf persönlichen Beziehungen, Vertrauen und Verschwiegenheit – das Gegenteil von Transparenz. Aus welchen Ländern die Diamanten stammten, war für Konsumenten nicht nachzuvollziehen. Mit gesteigerter öffentlicher Aufmerksamkeit für die Rolle von Blutdiamanten in den Bürgerkriegen von Sierra Leone, Liberia und Angola, begannen Bemühungen von Regierungen, Zivilgesellschaft und Industrie, Transparenz in die Handelskette von Diamanten zu bringen. Der Kimberley Prozess entstand (Link). Ein UN-Embargo auf Diamanten veranlasste die Regierung von Sierra Leone schließlich noch während des Bürgerkrieges im Jahr 2000 ein Zertifizierungssystem einzurichten, das garantierte, dass die Diamanten nicht aus Rebellengebieten stammten. Das 2003 geschaffene Zertifizierungssystem für Rohdiamanten des Kimberley Prozesses orientierte sich an diesem Beispiel. Für Sierra Leone zahlte sich die Mitgliedschaft im Kimberley Prozess auch prompt aus: die offiziellen Diamantenexporte stiegen von 10 Millionen US-Dollar im Jahr 2000 auf 142 Millionen US-Dollar im Jahr 2005 an. So wertvoll das Zertifizierungssystem des Kimberley Prozesses auch sein mag – anzumerken bleibt, dass es auch seine Lücken hat. Für die vielfältigen Menschenrechtsprobleme im Kleinbergbau von Diamanten in Afrika müssen andere Lösungen gefunden werden.

Quellen und weiterführende Informationen

BICC 01/2012


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