Drogen und bewaffnete Konflikte

In Konfliktregionen spielen neben anderen illegalen Aktivitäten oft auch Drogenproduktion und -handel eine große Rolle. Inwieweit Drogenanbau und -handel die bewaffneten Konflikte direkt beeinflussen oder gar auslösen oder verstärken, ist eine Grundfrage in der Konfliktforschung. Um solche Wechselwirkungen beurteilen zu können, müssen Daten erhoben werden, was jedoch aufgrund der Illegalität geprägten Sachlage schwierig ist und zu fehlerhaften Rückschlüssen führen kann.

Nach Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen für Suchtstoff- und Verbrechensbekämpfung (UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime) lag der Umfang des internationalen Drogenmarkts 2003 bei 322 Mio. US-Dollar, was das BIP von 88 Prozent aller Länder übersteigt. Ferner gibt es Daten zu den jeweiligen Anbaugebieten und deren Ertrag, wobei es erhebliche Unterschiede je nach genutzter Quelle gibt. Polizeiliche Daten beziehen sich vor allem auf die Zahl der Verhafteten, den Schmuggel und die Bedarfsmengen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zwischen dem realen Drogenmarkt und den Erkenntnissen der Sicherheitskräfte erhebliche Lücken klaffen.

Brennpunkte der Drogen-Konflikt-Problematik stellen die Coca und Opium produzierenden Länder Afghanistan, Bolivien, Kolumbien, Laos, Myanmar und Peru dar. Des Weiteren sind die Transit- und die Zielländer für Drogen von Interesse, wobei sich vor allem die Transitländer schnell aufgrund der Lage vor Ort ändern können. Produzierende und Transitländer sind oft geschwächte Staaten, so genannte „failed states“. Charakteristisch für diese Länder sind ein fehlendes Gewaltmonopol des Staates sowie unzureichende Rechtsstaatlichkeit, hohe Korruption und generelle Instabilität.

Akteure in der Drogen-Konflikt-Problematik sind bäuerliche Produzenten, Konfliktparteien und Terroristen, aber auch die transnationale organisierte Kriminalität. Oft sind Drogenanbau und -schmuggel für die ländliche Bevölkerung während bewaffneter Auseinandersetzungen die einzige sichere Einkommensquelle. So bauen etwa Frauen und Kinder die anspruchslosen Pflanzen ohne viel Wissen auch in entlegenen Regionen an und verkaufen sie, während die männliche Bevölkerung für den Konflikt rekrutiert worden ist. Drogen tragen durch Anbau und Schmuggel bzw. durch Besteuerung dieser Aktivitäten dazu bei Konfliktparteien und Terroristenorganisationen mit Kapital zu versorgen – auch wenn Drogenanbau bzw. -schmuggel eigentlich nicht mit ihrer ursprünglichen Ideologie vereinbar sind. Oft entwickeln sich Drogen durch die enormen Gewinnspannen so sogar zu ihrer Haupteinnahmequelle.

Drogen müssen vom Produktionsland durch Transitländer in ein Konsumland transportiert werden. Transnationale kriminelle Organisationen planen und führen illegale Aktivitäten in mehreren Ländern durch. Vor allem Schmuggel und Menschenhandel fallen in diese Kategorie der transnationalen organisierten Kriminalität (Definition nach Vereinten Nationen). Ihre Bekämpfung stellt sich als äußerst schwierig dar, da sie häufig lose zusammen agierenden Zellen umfasst, die schnell auf veränderte Situationen reagieren können. Diese lockeren Netzwerke können Versorgungslücken schnell schließen sowie flexibel auf Probleme und Gefährdungen reagieren. So bleibt die Organisation funktionstüchtig, auch wenn einige Zellen wegfallen. Die Drahtzieher der transnationalen organisierten Kriminalität sind wegen ihres großen geografischen Aktionsradius nur schwer dingfest zu machen. Insgesamt stellt diese Form der Drogenkriminalität eine große Herausforderung an die Sicherheitsapparate dar, die nur dann Erfolge erzielen können, wenn sie über Ländergrenzen kooperieren.

Der Einstieg in den Drogenhandel führt meist zu einem Bedeutungsverlust der ursprünglichen Konfliktursache, gleichzeitig halten ökonomische Belange durch den Verkauf und Anbau von Drogen ihn jedoch am Leben. Dabei muss beachtet werden, dass Drogen nicht Auslöser eines Konflikts sind. Gleichzeitig hat der Umgang mit Drogen oft auch einen direkten Einfluss auf die beteiligten Akteure, etwa wenn Bauern und Kämpfer selbst von den Suchtmitteln abhängig werden. Schließlich wird bei der Drogen-Konflikt-Problematik auf verschiedenen Ebenen eine Gewaltspirale in Gang gesetzt. So wird Gewalt angewandt, um die neuen Strukturen im Anbau und Vertrieb zu erhalten sowie, um die Ressourcen Land und Wasser für den Anbau zu erweitern. Die Beschaffungskriminalität der Süchtigen stellt in diesem Zusammenhang ein eigenes Problem dar. Ist ein Land in seiner Entwicklung so weit fortgeschritten, spricht man von einer Drogenökonomie, d.h. dass der Drogenmarkt regional oder im gesamten Land zu einer wichtigen Größe geworden ist.

Die Lösung der Drogen-Konflikt-Problematik erfordert von Gesellschaft, Politik und Wissenschaft sehr komplexe Herangehensweisen. Die Vergangenheit hat in vielen Fällen gezeigt, dass vorgeschlagene Maßnahmen nicht die an sie geknüpften positiven Erwartungen erfüllt haben. So bewirkt etwa ein direktes Vorgehen gegen Erzeuger oder Händler meist keine Veränderung, da genügend andere Menschen bereit sind, die entstandenen Produktions- oder Transportlücken zu schließen. Dieses Phänomen wird im englischen als „balloon effect“ bezeichnet.

Eher erfolgversprechend erscheint stattdessen eine Politik, die alternative Einnahmemöglichkeiten für Bauern schafft, um so den Anbau und damit auch die produzierte Drogenmenge zu verringern. Sinnvoll wären auch suchtpräventive Maßnahmen in den Zielländern, um dort den Absatzmarkt für Drogen zu verkleinern. Da die Problematik über Grenzen hinweg auftritt, muss ein gemeinsames, internationales Vorgehen ausgearbeitet und koordiniert werden. Maßnahmen sollten auf möglichst vielen Ebenen gleichzeitig in Angriff genommen werden um Synergieeffekte zu nutzen. Die GTZ (heute GIZ) hat elf Punkte zusammengestellt, die helfen sollen Drogen international zu kontrollieren, dazu gehören unter anderem Kooperationen zwischen den Beteiligten erhöhen, gute Regierungsführung fördern, den Sicherheitssektor reformieren bzw. ausbauen, alternative Überlebensstrategien unterstützen und die Forschung ausbauen.

Insgesamt müssen in Zukunft die Wechselwirkungen von Drogen- und Entwicklungsproblemen im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten stärker beachtet und untersucht werden Nur so kann die Politik befähigt werden, diese Zusammenhänge besser zu verstehen und sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen. Bisher wurden nur Kolumbien und Afghanistan intensiver im Bezug auf Drogen und bewaffnete Konflikte bearbeitet, wobei die Ausgangssituationen dort sehr unterschiedlich waren und immer noch sind. Diese Forschung muss fortgesetzt werden und weitere Länder müssen folgen.

Quellen und weiterführende Informationen:

BICC 01/2012


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