Nationale Regulierung von internationalen Unternehmensaktivitäten
Was tun, wenn internationale Unternehmen durch ihre Geschäftsaktivitäten im Ausland Menschenrechtsverletzungen fördern und in Kriege verwickelt sind - und niemand sie dafür bestraft? Können sie für Straftaten im Ausland von der Justiz ihres Heimatstaats belangt werden? Können Investoren dieser Unternehmen verlangen, darüber Auskunft zu bekommen? Diese Fragen stellen sich konkret in Bürgerkriegsländern, in denen internationale Unternehmen aktiv sind, z.B. in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo).
Expertengruppen der Vereinten Nationen haben zwischen 2002 und 2004 in ihren Berichten dargelegt, dass internationale Unternehmen direkt oder indirekt den Krieg verlängerten, da sie den Eliten Einnahmen verschafften und dadurch die Konflikte und Menschenrechtsverletzungen weiter schürten. Die öffentliche Nennung - „Naming and shaming“ - dieser Wirtschaftsakteure sollte bewirken, dass sie ihre Praktiken ändern. Einige wichtige westliche Abnehmer von Metallen aus der DR Kongo wie das deutsche Unternehmen H.C. Starck stoppten daraufhin ihre Einkäufe aus der Region. Für ihre früheren Handlungen wurde die Firma allerdings nicht zur Rechenschaft gezogen.
Die Expertengruppe der Vereinten Nationen hatte auch mehr Transparenz im kongolesischen Bergbausektor und Sanktionen gegen Unternehmen, die direkt in die Kriegsökonomie verwickelt waren, angemahnt. Doch diese Empfehlung blieb folgenlos. Die genannten Unternehmen zogen sich zwar zurück, wurden jedoch nicht verklagt und neue internationale Konzerne füllten die Lücke, ohne bessere Standards aufzuweisen.
Um Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, könnten auch die Gerichte ihres Heimatstaates tätig werden. Bisher haben die Regierungen von Industrie- und Schwellenländern, in denen profitable internationale Unternehmen ansässig sind, dies jedoch kaum aktiv betrieben. Aus diesem Grund reichte im Juli 2010 die Nichtregierungsorganisation Global Witness aus England Klage gegen die britische Regierung ein, weil sie die Verfehlungen ihrer Unternehmen in der DR Kongo nicht rechtlich verfolgen ließ.
Ein anderer, aktueller Fall, in dem ein westliches Unternehmen in seinem Heimatstaat angeklagt werden könnte, ist Lundin Oil. Die schwedische Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen das Erdölunternehmen eingeleitet, weil es im Verdacht steht, an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des sudanesischen Bürgerkriegs (1985 bis 2002) mitschuldig zu sein. Die European Coalition on Oil in Sudan (ECOS) hat in einem Bericht von 2010 dargelegt, wie die sudanesischen Streitkräfte die Bevölkerung in ölreichen Gebieten systematisch vertrieben und viele Menschen hinrichteten, um die Erdölgebiete zu kontrollieren. Lundin Oil nutzte die Gebiete anschließend für die Ölförderung.
US-Gesetz regelt Sorgfaltspflicht von Unternehmen
Um zu vermeiden, dass Unternehmen durch ihre Aktivitäten zur Finanzierung von Konflikten beitragen, gibt es seit Juli 2010 in den USA eine neue Art der Regulierung, die vorbildlich sein könnte. Das US-Gesetz zur Neuregelung des Finanzsektors (Dodd Frank-Act) enthält nämlich klare Vorschriften: sämtliche Unternehmen, die an US-Börsen notiert sind, müssen nachweisen, dass sie keine Konfliktmineralien aus der DR Kongo beziehen oder verarbeiten. Darüber hinaus müssen sie in Berichten darlegen, wie sie dafür Sorge tragen, keine Konfliktmineralien zu verwenden.
Die Berichtspflicht erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren: im ersten Schritt sollen die Unternehmen herausfinden, ob sie überhaupt Rohstoffe verwenden, die unter die Bestimmungen fallen. Im zweiten Schritt müssen sie darlegen, ob die Rohstoffe aus der Demokratischen Republik Kongo oder ihren Nachbarländern stammen. Ist dies der Fall, müssen sie belegen, dass mit der Förderung und dem Handel der Rohstoffe keine Aktivitäten von bewaffneten Gruppen unterstützt werden. Diesen Prozess nennt man „Due Diligence”, auf Deutsch „Sorgfaltspflicht“.
Die Börsenaufsicht verlangt, dass diese Berichte veröffentlicht werden. So können die Käufer von Aktien sehen, ob die Gefahr besteht, dass sie eventuell Kriege mitfinanzieren. Als potentielle „Konfliktmineralien“ gelten die vier Metalle Koltan, Wolfram, Zinn und Gold, deren Abbaugebiete im Ost Kongo teilweise von bewaffneten Gruppen kontrolliert werden. Mit den Einnahmen kaufen sie Kriegsmaterial ein, bezahlen ihre Kämpfer und bereichern sich persönlich. (Siehe Beispiel DR Kongo….).
Von dieser neuen US-Gesetzgebung sind viele Industriezweige weltweit betroffen. So werden die Metalle in der Herstellung von Konsumgütern in der Automobil-, Hochtechnologie-, Bergbau-, Schmuck- und Flugzeugindustrie verwendet. Der Dodd-Frank-Act sorgt also dafür, dass nicht nur direkt Rohstoffe fördernde und verarbeitende Unternehmen Rechenschaft ablegen, sondern auch Firmen wie Dell, Nokia oder Ford die Herkunft der von ihnen verwendeten Rohstoffe veröffentlichen müssen. Der Dodd-Frank-Act fördert außerdem die Transparenz im Rohstoffsektor. So enthält er weitreichende Regelungen für die Offenlegung von Zahlungsströmen von Bergbauunternehmen an Regierungen. Alle Unternehmenssteuern, Lizenzgebühren oder Förderabgaben müssen die Firmen melden. So soll Transparenz über die Höhe der Regierungseinnahmen aus dem Rohstoffsektor geschaffen und damit der Korruption entgegengewirkt werden.
Diese Regelung ist eine Weiterentwicklung zu anderen Transparenzinitiativen wie z.B. EITI (Transparenzinitiative der extraktiven Industrien, Extractive Industries Transparency Initiative), die auf freiwillige Angaben von Unternehmen und Regierung angewiesen ist und häufig die Zahlungsströme von einzelnen Unternehmen nicht ausweist.
Der Dodd-Frank-Act aus den USA ist somit ein positives Beispiel dafür, wie durch nationale Gesetzgebung weitreichende Vorschriften für Unternehmen weltweit gemacht werden können.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Ernst & Young (2011): Conflict Minerals. Dodd-Frank Section 1502 and proposed SEC rule.
- Feldt, Heidi, et al. (2011): Offenlegungspflichten von Rohstoffkonzernen im Dodd-Frank Act, Hrsg: Misereor, Global Policy Forum, Brot für die Welt, Hintergrundinformation April 2011.
- Lauster, Gitta, Mildner, Stormy-Annika und Wiebke Wodni (2010): Transparenz im Rohstoffhandel. US-Finanzgesetz soll Handel mit Konfliktressourcen eindämmen, SWP-Aktuell 76, November 2010.
BICC 01/2012